Die Filmgeschichte droht in Vergessenheit zu geraten. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das schließlich einen Bildungsauftrag hat, laufen schon lange kaum noch Kinofilme (stattdessen gibt es jeden Abend einen Mord aufzuklären). Rühmliche Ausnahme ist arte mit einem gut kuratierten Programm und einer tollen Mediathek. Die Streamingdienste orientieren sich auch vor allem an neueren Produktionen. Wenn man bei Netflix Alfred Hitchcock in die Suchmaske eingibt, kommen erst ein paar Remakes von Hitchcocks Klassikern und dann irgendwelche neuen Thriller und Krimis. Bleibt also das Kino für die Filmvermittlung. Arthauskinos und Multiplexe sind in der Regel mit dem Abspielen der vielen Neustarts schon ausgebucht. Festivals gönnen sich vereinzelt Retrospektiven. Und ein klassisches Kommunales Kino (oder gar ein Filmmuseum mit Kinosaal), das sich der Filmvermittlung auch mit einem historischen Blick widmet, gibt es zumindest in Köln nicht. Am nächsten kommt dem noch das Filmforum NRW im Museum Ludwig, das von verschiedenen Kulturinstitutionen bespielt wird.
Neben ihren eigenen Programmpunkten tun sich diese Institutionen – die Film- und Medienstiftung NRW, der WDR, das Museum Ludwig, die Kölner Philharmonie, der Verbund der freien Filmszene Kino Aktiv und die beiden Filmschulen KHM und ifs jedes Jahr für eine thematische Filmreihe zusammen. Im letzten Jahr widmeten sich die „Filmgeschichte(n)“ libidinösen Dreieckskonstellationen. In diesem Jahr lautet der Titel der Reihe „Grenzgänge“. Gemeint sind damit weniger (aber auch) die metaphorischen Grenzüberschreitungen von Filmen als die realen Grenzüberschreitungen von einem Land in das andere.
Die Reihe zeigt von April bis Dezember monatlich einen Film und durchschreitet dabei die letzten gut 60 Jahre – von 1958 bis in die jüngste Gegenwart – in weitgehend chronologischer Reihenfolge und über alle möglichen Genres hinweg. Mit dabei sind Klassiker wie „Im Zeichen des Bösen“ von und mit Orson Welles, ein später Film Noir um einen korrupten Polizisten in einer amerikanisch-mexikanischen Grenzstadt. Billy Wilders überdrehte West-Ost-Berlin-Komödie „Eins, Zwei, Drei“ von 1961, während deren Dreh die Mauer gebaut wurde. Alain Resnais` Drama „Der Krieg ist vorbei“ über antifaschistische spanische Terroristen in Paris. Claire Denis` „Chocolat“, ein Blick auf den Kolonialismus in Kamerun aus der Sicht eines Kindes. Eran Riklis` Tragikomödie „Die syrische Braut“ über eine Hochzeit mit Hindernissen zwischen Israel und Syrien. „No Country for Old Men“, der Thriller der Coen-Brüder über einen psychopathischen Killer. „JSA – Joint Security Area“, ein früher Film über einen Zwischenfall an der Nord-Süd-Koreanischen Grenze von Park Chan-wook, dessen neuer Film „Die Frau im Nebel“ gerade im Kino lief (und in choices Film des Monats war). Anja Salomonowitz dokumentarischer Blick „Kurz davor ist es passiert“ auf Menschenhandel und schließlich Philip Scheffners „Europe“, ein doku-fiktionaler Film über ein Flüchtlingsschicksal in Frankreich. Alle Filme werden von Expert:innen eingeführt, „Europe“ vom Regisseur selbst.
Filmreihe Filmgeschichte(n): Grenzgänge | 26.4.-6.12. | Filmforum NRW
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Von wegen: No Future!
Das Afrika Film Festival blickt nach vorne – Festival 09/22
Eins, zwei, drei
Filmforum eröffnet den nächsten Zyklus der „Filmgeschichten“ – Reihe 05/22
Radikaler Kunstvermittler
Filme von James Scott zur Ausstellung Hockney/Hamilton – Festival 02/19
Kino-Kontinent
Zehn Tage für den afrikanischen Film – Festival 09/18
Streuner, Gammler und Slacker
Filme aus über 80 Jahren widmen sich dem „Müßiggang“ – Festival 03/16
Politisches im Banalen
„Immer Ärger mit Avi“ am 8.10. im Academy Space
Geld regiert die Welt
Eine Filmreihe im Filmforum verfolgt den Kreislauf des Geldes – Spezial 08/15
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24