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17.09.2004
Wahrscheinlich kommt meine Meinung zum Film etwas zu spät, doch per Zufall hatte ich ein wenig auf der Choices-Seite gesurft und dabei einen Blick auf die Kommentare zu Troja geworfen.
Da ich ein großer Freund von Homers Ilias bin, war ich natürlich sehr gespannt auf die Verfilmung, aber auch sehr skeptisch. Schon die Information, daß das Trojanische Pferd vorkommen sollte, hatte mich im Vorfeld bereits völlig aus der Bahn geworfen, da die Ilias nur einen kleinen Ausschnitt des Trojanischen Kriegs umsetzt ? nämlich den Beginn von Achills Zorn bis zu Hektors Bestattung (dem Ende des Zorns).
Wider allen Erwartungen bestätigte sich meine Befürchtung nicht. Petersen hatte nicht versucht, irgendwelche chronologischen Rekonstruktionen des Troja-Stoffes darzustellen, sondern hatte sich tatsächlich ? wie auch im Abspann durch das "inspired by" darauf hingewiesen wurde ? auf einige wichtige Motive von Homer beschränkt wie dem Zorn des Achill, der Dreh- und Angelpunkt in der Ilias bildet. Nicht nur bei Petersen ist Achill die Hauptfigur, sondern auch bei Homer!
Petersen hatte nicht versucht, eine Textvorlage 1 : 1 wiederzugeben und damit hatte er vollkommen recht. Literatur und Film sind zwei völlig verschiedene Medien, und wenn ich einen Film sehe, will ich nicht die Buchvorlage vorgesetzt bekommen ? die hat man ja schließlich schon gelesen, da braucht man keine paar Millionen Dollar für eine Verfilmung zu verpulvern, nur um dasselbe noch einmal geboten zu bekommen (was auch gar nicht möglich ist).
Beeindruckend fand ich den Mut Petersens, sich nicht von der Vorlage gängeln zu lassen oder auch von landläufigen Vorurteilen über Homers Ilias (Odysseus spielt in der Ilias keine große Rolle, und Kassandra erst recht nicht). Fan-Wünsche vielen zum Glück schon einmal weg, denn ich glaube kaum, daß Petersen im Laufe des Produktionsprozesses ein aufgescheuchtes Heer von Altphilologen an der Backe hatte. Der Film hatte ein Konzept, was man von vielen anderen nicht behaupten kann, wie z.B. Herr der Ringe (dieser Film war leider eine wilde Mischung aus uninspirierter Vorlagenversessenheit, Wunsch nach Massenwirksamkeit, Fan-Meinungen und maßlos-hemmungsloser Überlänge). Dramaturgisch ist Herr der Ringe in meinen Augen eine Katastrophe und tritt die spezifischen Anforderungen des Mediums Film mit Füßen (man achte insbesondere auf den stümperhaften Schnitt und das unausgegorene Tempo).
Übrigens, daß Paris Achill mit dem Bogen niedergestreckt hat, lag nicht daran, daß Legolas ein guter Schütze war, sondern weil die griechische Mythologie dies tatsächlich so beschreibt.
Und daß Paris als Weichei rüberkam, lag nicht daran, daß der Regisseur schlecht war oder der Schauspieler, sondern die Rolle verlangte es so (der Kampf Menelaos gegen Paris ist in der Ilias auch kein Heldenstück! Und Orlando Bloom spielt klasse! Diese gewollt! peinliche Kampfszene muß ihm erstmal einer nach machen!).
Mit den Helden Achill, Hektor und Paris ist es Petersen sehr gut gelungen, drei völlig verschiedene Männerbilder/Heldenbilder zu vermitteln.
Achill kämpft für den Ruhm und weil er Freude am Kampf hat, Hektor aus Pflicht gegenüber Familie und Heimat, Paris kämpft lieber gar nicht und wenn, dann für die Liebe und nur sehr mäßig. Odysseus (hier eine Nebenfigur) ist der Mann, der eigentlich nur schnell wieder mit heiler Haut nach Hause will ? und in dem Petersen diesen Aspekt herausstreicht, liefert er eine wunderbare Hommage an die Odyssee!! Mit Priamos und Agamemnon kamen zwei Darstellungen unterschiedlicher Herrschertypen hinzu, die nicht so platt sind, wie sie auf den ersten Blick vielleicht zu sein scheint.
Troja war in meinen Augen auch ein ganz netter Anti-Kriegsfilm, und wenn man einige Kampfszenen bei Homer näher betrachtet ? insbesondere die Kämpfe Achills - merkt man, daß diese alles andere als heldenhaft oder nachahmenswert erscheinen. Durch den Zorn über seinen Freund schlachtet er in einem wahnsinnigen Blutrausch flüchtende Trojaner, und auch im Kampf gegen Hektor verfolgt er seinen fliehenden Kontrahenten ganze drei Mal um die Stadtmauern (heldenhafte Kämpfe stellt man sich eigentlich anders vor...).
Zum Schluß meine Meinung zur Authentizität: Wahrscheinlich hat es den trojanischen Krieg an sich so niemals gegeben! Die Ilias von Homer ist eine literarische Bearbeitung des Troja-Stoffes, der schon zu Homers Zeiten eine lange Tradition besaß und in verschiedenen Darstellungen bekannt war. Die Ilias ist keine historische Chronik des Trojanischen Krieges, sondern eine literarische Umsetzung dieses Stoffes. Sie spiegelt zudem ein komplexes und vielschichtiges Weltbild wieder und steht unter einem einheitlichen Konzept mit einem überaus komplexen Netzwerk aus Ursachen und Wirkungen. Die zentrale Rolle Achills in diesem Geflecht ? seine Emotionalität, sein Stolz, sein Zorn, aber auch seine freundliche und einsichtige Natur ? sind in Petersens Troja ganz gelungen zum Ausdruck gekommen.
Vielleicht mögen einige Szenen etwas biedern inszeniert gewirkt haben, aber für eine Massenwirksame US-Produktion war Troja mehr, als ich mir jemals erträumt hatte (O.K., auf den homoerotischen Aspekt zwischen Achill und dem eigentlich drei Jahre älteren Freund Patroklos hatte ich schon etwas spekuliert ..., aber man will ja keine unbedarften Zuschauer schocken).
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