Deprimiert schaut Lenny aus dem Fenster – viel mehr versucht er dies, wäre da nicht die Betonwand, die ihm den Blick versperrt - seines 35-qm-Wohnlochs, das er sich trotz mickriger Größe mit seinem Mitbewohner, Veith, angesichts des stolzen Preises von nur 750 (!) Euro teilen muss – sonst würde er verhungern. Ein starker Wind raunt durch seine Straße neben einem verlorenen Baum, der traurig seine Äste hängen zu lassen scheint. Lenny geht es schlecht, ist er doch in ein wachsendes Traurigkeitsloch gefallen, und das, obwohl er laut Statistik noch jung ist. Lenny tat alles, was man tun kann, um sich einzusetzen: Immerhin stieg er vom bequemen, die Umwelt verschmutzenden Knatter-Boomer-Auto seiner Vorgänger, der Consumer-Huper-Generation, um auf einen nachhaltigen Drahtesel, den er vom Flohmarkt gebraucht ersteigerte. Sein ganzes Leben scheint geliehen und Secondhand. Dennoch beschwerte sich der 23-Jährige nie. Lenny war einverstanden mit seinem geteilten Leben.
Dumm ist er nicht
Grillten seine Vorfahren, verzichtet Lenny als Veganer auf Fleisch, um Tiere zu schützen. Auch protestierte er mit Fridays for Future gegen den Klimawandel. Dennoch kommt in ihm gelegentlich das Gefühl auf, er habe überhaupt gar keine Lebensfreude, er sei wie die Welt draußen erstickt. Des Nachts wird Lenny bisweilen von den Ästen des Baumes im Alptraum erdolcht, während Laub verkehrt herum auf ihn herabrieselt, bevor er grüne Blättersprossen wiederkäut. Schließlich sieht Lenny in seinem Traum einen Eisbären bei seinem allerletzten traurigen Spaziergang den Kopf senken, bevor er aufgrund des Klimawandels stirbt.
Dumm ist Lenny ebenfalls nicht. Schließlich absolvierte drei unbezahlte Praktika, bevor er das zweijährige unterbezahlte Volontariat antrat. Dennoch hat er sich das anders vorgestellt, sehen sich seine Freunde und er viel zu selten, arbeiten sie doch notorisch die Tage durch, nur um zu überleben – drei Nebenjobs inklusive. Worum geht es eigentlich? Trank die Generation der Boomer nach dem Feierabend ihr wohlverdientes Bier, wie sie es bezeichnete, oder mehrere, nippt Lenny allenfalls zaghaft und ermattet, so er überhaupt Zeit und Geld findet, super kritisch eine einzige Bionade für stolze 2,85 aus der Mehrwegflasche, welche er am nächsten Tag eilend in einem Jutebeutel zurückbringt, nur um die Entschimmelung in seinem Bad ohne Fenster zu bezahlen.
Eifersüchtig auch nicht
Lenny ist nicht eifersüchtig, schließlich wollte er keinen Konsum, verzichtete er auf Güter. Das Leben seiner Eltern oder Vorfahren mit dem Rasenmäher empfand er als spießig. Stießen jene in ihren sauberen Vorgärten ihrer Vororte an, stößt Lenny allenfalls an der schmutzigen Decke seiner Wohnung oder versehentlich mit Veiths Stirn an. Was bleibt, ist eine Beule. Wo sind all die Träume hin? Wollte man nicht längst einen Mindestlohn einführen? Ist die Politik schuld? Was ist aus der 40 Stunden-Woche geworden? Ungerechterweise scheint es ausgerechnet eine Generation zu treffen, die sich einmischt, die einmal hinsieht, die sozial zu sein scheint. Auch, wenn diese nicht nur Interesse an Geld haben sollte. Denn das wäre ebenfalls ökologisch nicht sehr klug und nicht in einem gemeinschaftlichen Sinne. Leider gibt es nur noch kein Leben für umsonst.
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