Die Welt ist aus den Fugen und wir mittendrin: Gletscher ziehen sich zurück, die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre ist so hoch wie seit mindestens zwei Millionen Jahren nicht. Das Bild, das der jüngste, Anfang August veröffentlichte Bericht vom sogenannten Weltklimarat (IPCC) zeichnet, ist düster: Ohne drastische Reduktion des Ausstoßes von CO2 und anderen Treibhausgasen wird im 21. Jahrhundert die globale Erwärmung 1,5 und auch zwei Grad Celsius übersteigen. Die einzigen Szenarien, die die globale Erwärmung noch auf unter zwei Grad Celsius beschränken, sehen für die zweite Hälfte des Jahrhunderts das Entziehen von Treibhausgasen aus der Atmosphäre im großen Stil vor. Eine solche Technologie ist bislang aber weder vorhanden noch bekannt. Seit Jahrzehnten aber wissen wir sicher, dass Emissionen nur reduziert werden, wenn das Verbrennen von Kohle, Erdölprodukten und Erdgas eingestellt, die Entwaldung gestoppt, die Zementproduktion reduziert und umgestellt werden. Passiert ist hingegen nichts.
Grenzen des friedlichen Protests
Für die Klimabewegung, die diese Entwicklung seit Jahrzehnten mit friedlichen Protesten „begleitet“, ist spätestens nach dem IPCC-Bericht die Zeit reif, Rechenschaft über die Grenzen ihrer Taktik des friedlichen Massenprotests abzulegen. Denn die weiterhin wesentlich höheren Investitionen in fossile statt regenerative Energieproduktion durch Finanzinstitutionen und Konzerne,sowie die Folgen des Klimawandels, erlauben der Klimabewegung kein „Weiter so“. Wirtschaft und Staat haben in den letzten mindestens 40 Jahren mehr als deutlich gemacht,dass sie Argumente, Studien, Proteste aber auch die Opfer des menschlich verursachten Klimawandels weniger interessieren, als der Profit.
Für den schwedischen Humanökologen, Autor und Journalisten Andreas Malm haben pazifistische Protestformen von daher ausgedient. In seinem durchaus lesenswerten Buch, „Wie man eine Pipeline in die Luft jagt. Kämpfen lernen in einer Welt in Flammen“, das im vergangenen Herbst erschienen ist, zieht Malm die Schlussfolgerung, dass der Kampf gegen das „fossile Kapital“ vom Protest zum Widerstand weiterzuentwickeln ist: „Beschädigt und zerstört neue CO2-emittierende Vorrichtungen! Lasst die Kapitalist*innen, die weiterhin ihr Geld ins Feuer werfen, wissen, dass ihr deren Eigentum in Schutt und Asche legen werdet.“ Die politische Logik hinter diesem martialisch anmutenden Schlachtruf ist simpel: Nur wenn der Einsatz im Konflikt durch einen „radikalen“ Flügel und dessen Aktionen erhöht wird, ist die Gegenseite überhaupt zu Gesprächen mit den „Gemäßigten“ und zu echten Zugeständnissen bereit.
Ökologischer Klassenkampf
Doch Malms Widerstandskonzeption enthält erschreckende Leerstellen. Zum einen lässt der bekennende Sozialist den Leser darüber im Unklaren, ob Sabotage und Massenproteste ausreichen, um die Zerstörung des Weltklimas zu beenden, oder ob ein antikapitalistischer Bruch, ein anderes Wirtschaftssystem notwendig wäre. Zum anderen geht Malm nicht auf die Rolle ein, die die Arbeiter und Arbeiterinnen in den fossilen Industrien spielen sollen. Sie besäßen durch Streiks, Besetzungen und Sabotage die Möglichkeit, Infrastruktur nicht nur lahmzulegen, sondern sie in den Dienst einer ressourcenschonenden Energieversorgung zu stellen. Malm selbst erwähnt kurz die Heldentat der Belegschaft eines Bauunternehmens, die sich weigerte, sich an der Abholzung des Hambacher Forstes zum Braunkohleabbau zu beteiligen. Solche Formen des ökologischen Klassenkampfs nehmen weltweit zu. Sie könnten der Schlüssel zur überfälligen Beendigung des fossilen Zeitalters sein
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