Oh mein Gott, es ist Jazz. Muss ich jetzt etwa intellektuelle Kompetenzen auffahren, um bei dieser Musik durchzusteigen? Nein, keineswegs. Alarmsirene aus, Kopfhörermodus an. Denn die Musik der fünf Kopenhagener ist smooth, anheimelnd und warm, sie hält die Zeit an und lässt darin wunderbare Blüten treiben. Ein Piano wie von Thom Yorke entführt in die Schwerelosigkeit, ein Saxophon erzählt von der Schönheit des Einfachen, der Bass klingt nach Sommerregen, das Schlagzeug erinnert vage an Hip-Hop, und dann kommt der Moment, der diese Band besonders macht: das zweite Saxophon setzt ein, repetitive Töne irgendwo zwischen Afrika, Dance und Einstürzenden Neubauten, das Ganze driftet in psychedelische Sphären, ein Perkussionist gibt dem Beat plötzlich Karibikflair, und schließlich nimmt das Zwiegespräch der Saxophone einem sämtliche Worte aus dem Mund.
Diese Musik ist so ortlos und zeitgemäß, dass sie überall gespielt werden kann. Was auch passiert: Die Jungs von Girls in Airports traten in den neun Jahren ihrer Karriere nicht nur in plüschigen Wohnzimmerclubs und bei internationalen Jazzfestivals auf, sie spielten in China mit Folkmusikern, in Brasilien mit einem der bekanntesten Perkussionisten, in Berlin in der Kantine am Berghain, und in der Bochumer Christuskirche in der empfehlenswerten Reihe urban urtyp. Gerade veröffentlichten Girls in Airports nach vier Studioalben ihr erstes Livealbum, welches sie im April in Hamburg, Dresden und Berlin aufgenommen haben. Jetzt stehen Auftritte in Dortmund und Münster auf dem Programm, und lassen Großes erwarten.
Denn gerade auf der Bühne sind Girls in Airports eine dieser Bands, die anschaulich machen, dass ein Beharren auf Genregrenzen die musikalische Landschaft nur ärmer macht. Parallelen zu begnadeten Jazzern fallen einem natürlich ein, etwa zu Soft Machine, bezüglich der Spannung zwischen Struktur im Jazz und dem zum Kontrollverlust neigenden Psychedelic Rock, oder zu Weather Report, was die Kombination von Schlagzeug und Percussions und die Verarbeitung afrikanischer Einflüsse angeht. Folk- und Weltmusik stehen Pate, aber ebenso Brian Enos vielleicht sogar namensgebendes Album „Ambient 1: Music for Airports“, dann werden wieder Strukturen gesprengt, es blitzen Indie-Rock-Momente auf, die in krautrockige Soundreisen münden. Ihre Musik könnte ein Patchworkteppich sein, aber so intensiv, wie die Musiker aufeinander eingehen, ist sie organisch und machtvoll. Eingängig genug für Pop, spielverliebt und artistisch genug für Jazz, weitsichtig genug für Ethno, herzhaft genug für Indie-Rock. Und wenn die Welt tatsächlich ein sich immer schneller drehendes Karussell globaler Einflüsse ist, dann klingt das bei Girls in Airports wenigstens gut. Sie liefern dazu einen Soundtrack, der nicht nur Grenzen öffnet, sondern sie vergessen macht.
Girls in Airports
Sa 28.10. 19 Uhr | Dortmund – Domicil | 0231 862 90 30
So 29.10. 20 Uhr | Münster – Pension Schmidt | 0251 97 95 70 50
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