Wer an Köln denkt, denkt an den Dom. Übersehen wird geflissentlich, dass die Stadt nicht alleine zwölf Romanische Kirchen ihr eigen nennt, sondern sich in fast jedem Viertel eindrucksvolle moderne Kirchenbauten befinden. Etwa Sankt Engelbert in Riehl, ein architektonisches Meisterwerk von Dominikus Böhm entworfen und wegen seiner geschwungenen Dächer von den Kölnern „die Zitronenpresse“ genannt. Köln war aber auch schon früh eine Industriestadt. Vor dem Deutzer Bahnhof steht ein Modell des Otto-Motors, dem Herzstück eines jeden Autos, das hier entwickelt wurde. Eine Straße weiter arbeiteten Gottlieb Daimler, Wilhelm Maybach und Ettore Bugatti. Die Kritik am Verkehrszeitalter findet sich dann auf der anderen Rheinseite in Gestalt von Wolf Vostells Skulptur „Ruhender Verkehr“, die er 1969 schuf, indem er seinen Opel Kapitän bei laufendem Motor mit Beton füllte.
„Das gibt‘s nur in Köln“ möchte man sagen und zitiert damit schon den Titel des Buchs von Hanka Meves. Sie erzählt von 120 Besonderheiten und Skurrilitäten der Metropole am Rhein. Wer den Strom mit der Eisenbahn über die Hohenzollernbrücke überquert, kommt an schätzungsweise einer halben Million Liebesschlössern vorbei, die an die Geländer montiert wurden. Verrückt auch die teuerste Klospülung der Welt, die sich gleich gegenüber auf der Toilette einer der Domtürme befindet.
Stadt der Frauen
Nebensächlichkeiten, wie die Liebessäule der Familien Schmitz oder das Kohlkopfrennen in Vogelsang erschließen ebenso den Charakter einer Stadt wie historische Tatsachen. Etwa die Prägung durch die Frauen, beginnend mit der Stadtgründerin Agrippina, der Kaiserin Theophanu und der Patronin Ursula bis zu den berühmten Frauen des Mittelalters und der Neuzeit, nach denen die Straßen des Hafens benannt sind. Hier befindet sich auch der Bayenturm, in dem das feministische Archiv beheimatet ist. Dass Köln die älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen besaß, wird mit dem Bau des Jüdischen Museums in Zukunft für kulturelle Akzente sorgen.
Die Texte wurden gut recherchiert und erzählen auf den Punkt von den Launen, Besonderheiten und den vielen Gesichtern dieser Stadt. Aus Informationen werden Geschichten mit Details, die nur Insidern bekannt sind. Erfreulich auch, dass der Emons Verlag das Wort nicht an das Bild verkauft. Hier erfährt man wirklich etwas über die Stadt, so dass man mit dem Buch in der Hand durch den Stadtkörper reisen kann. Die pointiert in den Blick genommenen Sehenswürdigkeiten laden dazu ein, auf eigene Faust los zu ziehen.
Ableger für Berlin und Ruhrgebiet
Aus dem Konzept wurde inzwischen eine Reihe entwickelt, die Berlin und das Ruhrgebiet vorstellt. Zu dem roten Buch über Köln gesellt sich ein grünes, in dem die Region vom Niederrhein bis nach Westfalen von Birgit Ebbert vordringlich aus der Verbindung von Kultur und Freizeit betrachtet wird. Wünschenswert wäre ein Inhaltsverzeichnis gewesen, das beim schmökern die Orientierung erleichtert hätte. Aber vielleicht kommt das ja noch mit der nächsten Auflage.
Hanka Meves: Das gibt‘s nur in Köln | Emons Verlag | 144 S. | 12,40 €
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Archiv des Verschwundenen
Piuk und Schneider lesen in Köln
Wem gehört Anne Frank?
„Immer wenn ich dieses Lied höre“ von Lola Lafon – Literatur 02/25
Schrecklich komisch
Tove Ditlevsens Roman „Vilhelms Zimmer“ – Textwelten 02/25
Um die Wette dichten
Best of Poetry Slam am Comedia Theater
Unsichtbare Krankheiten
„Gibt es Pflaster für die Seele?“ von Dagmar Geisler – Vorlesung 01/25
Mit KI aus der Zwangslage
„Täuschend echt“ von Charles Lewinsky – Literatur 01/25
Doppelte Enthüllung
„Sputnik“ von Nikita Afanasjew – Literatur 12/24
Eine wahre Liebesgeschichte
Thomas Strässles „Fluchtnovelle“ – Textwelten 12/24
Übergänge leicht gemacht
„Tschüss und Kuss“ von Barbara Weber-Eisenmann – Vorlesung 11/24
Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24
Zurück zum Ursprung
„Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ von Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger – Vorlesung 10/24
Eine Puppe auf Weltreise
„Post von Püppi – Eine Begegnung mit Franz Kafka“ von Bernadette Watts – Vorlesung 10/24
Aufwändige Abschlüsse
Comics, die spannend Geschichten zu Ende bringen – ComicKultur 02/25
Massenhaft Meisterschaft
Neue Comics von alten Hasen – ComicKultur 01/25
Gespräch über die Liebe
„In einem Zug“ von Daniel Glattauer – Textwelten 01/25
Kampf den weißen Blättern
Zwischen (Auto-)Biografie und Zeitgeschichte – ComicKultur 12/24
ABC-Architektur
„Buchstabenhausen“ von Jonas Tjäder und Maja Knochenhauer – Vorlesung 11/24
Comics über Comics
Originelle neue Graphic Novels – ComicKultur 11/24