Wuppertals neuer Opernintendant Berthold Schneider sieht sich auf einer Mission. Nichts Geringeres als die Erweiterung des Opernrepertoires für das deutsche Stadttheater hat er sich zur Aufgabe gemacht. Nach Steve Reichs Videooper „Three Tales“ folgt mit „AscheMOND oder The Fairy Queen“ ein außergewöhnliches Musiktheaterprojekt des Komponisten Helmut Oehring, das zwar bereits vor dreieinhalb Jahren in Berlin zu sehen war, doch in einer deutlich anderen Fassung. So rühmt sich Wuppertal zumindest einer „Teil-Uraufführung“.
Mag Oehring seine Besetzung und Partitur auch verschlankt haben, einen großen Aufwand bedeutet die Aufführung seiner Wuppertaler Fassung immer noch. Etwa 50 Musiker plus Dirigent (Jonathan Stockhammer) umfasst das Orchester, dem ein eigenständiges Barockensemble mit einem guten Dutzend Musikern und eigenem Dirigenten (Michael Cook) sowie zwei elektrisch verstärkte Solisten an E-Gitarre und Kontrabass zur Seite stehen. Hinzu kommen noch sieben Gesangssolisten und der Chor. Die Barockmusiker sind für die Zitate aus Henry Purcells gut 300 Jahre alter „Semi-Oper“ „The Fairy Queen“ (sehr) frei nach Shakespeares Sommernachtstraum zuständig. An ihr arbeitet sich Oehring als Grundgerüst seiner eigenen Oper ab. Man könnte auch sagen: Er liefert die dunkle Seite zu Purcell.
„Musik soll für eine Weile all deinen Kummer stillen“, heißt es in Purcells berühmter Countertenor-Arie „Music for a While“ (schön vorgetragen von Hagen Matzeit). Für Oehrings Oper liefert sie den Rahmen – gleichwohl nicht im Sinne eines Eskapismus. Wer zu jenen modernen Hörern gehört, die sich schon immer darüber gewundert haben, warum im Barock so oft über Schwermut gesungen wird und die Musik dazu doch stets lieblich und sogar überwiegend fröhlich erklingt, bekommt von Oehring, was er vermisst hat. Mit Elektronik, eingespielten Geräuschen und einem dissonant brodelnden und bedrückenden Orchesterklang unterstreicht der Komponist all den Kummer und Weltschmerz mit Nachdruck: „Alle Leben enden. Alle Herzen brechen. Immer“, steht als zentrale Aussage im Mittelpunkt. Intendant Schneider hat sich für die Wuppertaler Fassung mit Immo Karaman einen der sicher besten Opernregisseure der Region geholt. Der stand nun vor dem Problem, eine symbolhaft aufgeladene, wenn nicht gar überladene Collage zu inszenieren, die nach dem Willen des Komponisten abstrakt bleiben soll und jede echte Individualisierung scheut.
Karaman zeigt Chor und Solisten als Menschen in einem Wartesaal (gelungenes Bühnenbild von Aida Guardia), die sich in Kleidung und teilweise sogar in der Haarfarbe weitgehend gleichen. Ihr immer gleiches Pendlerdasein ist so festgemeißelt wie der Lauf der Jahreszeiten und Gestirne, die bei Oehring ebenfalls mit Trostlosigkeit konnotiert sind. Handwerklich ist die Regie von gewohnter Karaman-Qualität und sehenswert, inhaltlich aber bleibt sie oft kryptisch.
„AscheMOND oder The Fairy Queen“ | R: Immo Karaman | So 5.3. 16 Uhr, Sa 18.3. 19.30 Uhr | 0202 563 76 66
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