Schon mit seinem ersten Film, dem Kritiker- und Festivalliebling „Am Ende kommen Touristen“, gewann der 1981 in Ost-Berlin geborene Alexander Fehling seinen ersten Filmpreis. Es folgten Auftritte in „Buddenbrooks“, „Sturm“, „13 Semester“ und Tarantinos „Inglourious Basterds“, bis er in der Titelrolle in „Goethe!“ endgültig seinen Durchbruch erlebte. In „Wir wollten aufs Meer“ ist Fehling nun als junger Mann zu sehen, der sich in der DDR für Kameradschaft oder Lebenstraum entscheiden muss.
choices: Herr Fehling, Sie sind 1981 geboren – wie gut kann man sich denn da noch in die Lebenssituation der DDR hineinversetzen?
Alexander Fehling: Bei mir war das natürlich lediglich eine kindliche Wahrnehmung, überhaupt keine politische oder gesellschaftliche. Ich hatte am Ende in der DDR eine gute Zeit, was mit den Menschen zu tun hatte, die mich umgeben haben. Später, als ich älter wurde, habe ich die Dinge miteinander ins Verhältnis gesetzt. Wenn man sich dann erinnert, kommen natürlich auch Klischees auf, dass die Straßen und Häuser beispielsweise anders aussahen. Im Nachhinein wurde mir dann erst klar, wie unterschiedlich die Verhältnisse gewesen waren. Trotzdem habe ich dort ganz normal gelebt, so ist meine Erinnerung. Als die Mauer fiel, war ich acht Jahre alt, und selbst als Kind habe ich damals gemerkt, dass ganz viel um mich herum passiert. Aber ich habe das nicht im Entferntesten verstanden, und das hat mich damals wahnsinnig gemacht. Viele, viele Jahre später war ich ganz froh darüber, dass ich damals nicht in einer Lebenssituation erwischt wurde, die mir große Schwierigkeiten bereitete, wie es bei anderen Biografien der Fall war.
Im Film ist auch Rolf Hoppe dabei, der schon zu DDR-Zeiten dort ein großer Star war. Hatten Sie während der Dreharbeiten Gelegenheit, mit ihm über die damalige Zeit und seine Erfahrungen zu sprechen?
Nein, ehrlich gesagt nicht. Ich habe ihn von weitem bewundert. Es war wirklich toll für mich, gemeinsam mit ihm vor der Kamera zu stehen. Ich hatte „Mephisto“ gesehen, als ich noch relativ jung war, und ich erinnere mich, wie mein Vater mich damals fragte, ob ich den Namen des Schauspielers kenne. Ich kannte ihn nicht und mein Vater sagte: ‚Das ist Rolf Hoppe, das ist ein guter Schauspieler!’ (lacht) Damals war ich dreizehn oder so. Aber ich habe mich mit Hoppe nicht über die DDR unterhalten, sondern nur über die Szenen, die wir miteinander zu drehen hatten. Wir haben uns auf die Arbeit konzentriert.
Es kommt einem bei dem Film vor, als ob die Rollen von Ihnen und August Diehl im Vorfeld schon typgerecht festgelegt waren. Wäre es für Sie auch vorstellbar gewesen, dass die beiden Rollen genau umgekehrt besetzt worden wären?
Es hat auf der einen Seite ja schon einen Sinn, wer welche Rolle spielt. Trotzdem wäre es natürlich auch umgekehrt vorstellbar gewesen, ich glaube, August hatte das sogar einmal gesagt.
Aber hier war es trotzdem von vorneherein klar, wer welche Rolle spielt?
Ja, das war schon sehr lange klar. Ich kannte das Projekt schon seit mehreren Jahren, und August kam später dazu, sogar sehr kurzfristig, also ungewöhnlich spät. Deswegen gab es darüber überhaupt keine Diskussion.
Sie kannten das Projekt also schon in der Schreibphase?
Ja, ich kannte es schon, als lediglich ein Treatment existierte, noch gar kein Drehbuch. Das ist jetzt ungefähr vier Jahre her. Und es hat mir sehr gut gefallen, die Geschichte hat mich damals schon gepackt. Dann bin ich zum Casting gegangen und habe Tove Constantin Hebbeln [den Regisseur; die Red.] kennen gelernt, und wir haben relativ schnell gemerkt, dass wir an einem Strang ziehen können.
Auch zuvor haben Sie schon Filme mit Erstlingsregisseuren gedreht, andererseits auch mit Regieprofis zusammengearbeitet. Besteht da für Sie als Schauspieler ein großer Unterschied in der Herangehensweise?
Das kann man schlecht beantworten, da fängt man mit dem Allgemeinplatz an, dass jeder anders ist, und das stimmt ja wirklich. Natürlich macht es ein erfahrener Mann anders, aber ich bin auch gar nicht so sehr damit beschäftigt, sobald man gut miteinander kommunizieren kann. Ich versuche, nicht miteinander zu vergleichen, sondern das individuell zu nehmen, weil ich hoffe, dass man auch mich gewissermaßen individuell wahrnimmt. Ich würde auch nicht behaupten, dass ich es liebe, Debütfilme zu machen. Das sind Etiketten, die mich überhaupt nicht interessieren. Mich interessiert der jeweilige Mensch, die jeweilige Geschichte, und was man da versuchen will. Mit den anderen Aspekten beschäftige ich mich gar nicht. Natürlich sind das andere Erfahrungen, wenn man mit „Regieprofis“ arbeitet, aber es ist bei jedem neuen Regisseur eine andere Atmosphäre und ein anderes Flair. Man versucht es einfach gemeinsam, und man weiß ohnehin nie, ob die Rechnung aufgeht und es ein guter Film wird.
Nach Ihrem Schauspielstudienabschluss ist es direkt explosionsartig mit einer großen Kinohauptrolle losgegangen, dann kamen direkt Rollen bei Breloer, Tarantino und Hans-Christian Schmid. Wie hat dieser Blitzstart auf Sie selbst denn gewirkt?
Äußerst angenehm (lacht). Nein, im Ernst: Ich hatte wahnsinniges Glück am Ende der Schule mit dem Film „Am Ende kommen Touristen“. Und natürlich auch mit der Theaterproduktion „Wallenstein“ von Peter Stein. Das ist einfach Glück, das wünscht sich jeder. Der Film hat für Aufmerksamkeit gesorgt und mir sehr viele Türen geöffnet, wodurch bestimmte Räume leichter für mich zu begehen waren. Nach diesem Film hat es dann aber auch ziemlich lange gedauert. Einerseits bin ich mir dieser Geschenke und dieses Glücks durchaus bewusst, aber in meiner eigenen Wahrnehmung sind dazwischen viele Jahre vergangen, das ist nicht alles auf einmal passiert. Wenn man zurückblickt, sieht man die Summe dieser Sachen, aber die sind in vielen Jahren passiert, in denen auch etliche Sachen nicht passiert sind. Für mich war es deswegen keine Explosion, sondern das alles ist Schritt für Schritt passiert. Als ich bei Breloer oder bei Hans-Christian Schmid in „Sturm“ spielte, hat sich dafür auch noch niemand interessiert. Jetzt, inzwischen sieht das alles so schön aus, und ich bin darüber auch sehr dankbar, aber das folgte Stück auf Stück, und dazwischen gab und gibt es immer Phasen, in denen man auf einen Stoff wartet, der für einen passt.
Und für gerade mal ein Dutzend Filme haben Sie auch schon etliche Preise gewonnen. Entsteht daraus an Sie selbst der Anspruch, immer noch mehr leisten zu müssen und dieser Anerkennung gerecht zu werden?
Das ist schon etwas, was sich im Laufe der Zeit verändert: Man ist nie wieder so, wie man bei seinem ersten Film war. Im Guten wie im Schlechten. Natürlich entsteht im Laufe der Zeit ein Bild von einem, so, wie wenn man einen Menschen kennen lernt. Man weiß zwar, man möchte flexibel bleiben, aber es gibt eben auch eine Außenwahrnehmung, und man verändert sich. Aber ich mache mir darüber nicht allzu viele Gedanken. Natürlich hat niemand ein Interesse daran, drei Filme zu machen, die schlecht sind. Das Interesse habe ich selbstverständlich auch nicht, und ich habe auch nicht das Interesse, immer wieder dasselbe zu machen. Ich bin für alles ziemlich offen, auch, was Unterhaltung betrifft. Ich bin da nicht so dogmatisch. Der Druck kommt dabei aber weniger von außen. Ich habe da eher eine Erwartung an mich, möchte etwas erreichen oder etwas Neues ausprobieren.
Ausprobiert haben Sie sich zuletzt auch bei „Der Fluss war einst ein Mensch“, bei dem Sie auch mit am Drehbuch gearbeitet haben. Wie ist es denn zu diesem ungewöhnlichen Projekt in Botswana gekommen?
Die Credits sind hier vielleicht etwas missverständlich – ich habe die Geschichte mitentwickelt. Ich kannte den Regisseur Jan Zabeil schon mehrere Jahre, allerdings nicht wirklich gut. Wir haben uns durch gemeinsame Freunde vor acht Jahren oder so das erste Mal kennen gelernt. Ich habe dann Schauspiel in Berlin studiert, und er Kamera in Potsdam. Nach dem Studium haben wir uns dann in Cannes getroffen, wo er einen Kurzfilm vorstellte und ich „Am Ende kommen Touristen“. Dann erzählte er mir von dieser Idee, in Afrika einen Film zu machen über jemanden, der sich dort im Okavangodelta und in vielen anderen, mentalen Wahrnehmungswelten verliert. Er hatte dafür aber kein Drehbuch und wollte auch keines schreiben. Sein Konzept bestand darin, es dort vor Ort zu finden. Mit verloren zu gehen, was immer das heißt, und ohne zu wissen, ob das klappt oder nicht. Die Idee war sehr reizvoll, und Jan ist jemand, dem ich sehr vertraue und glaube. Deswegen haben wir im Vorfeld kein Drehbuch geschrieben, weil wir uns nicht zu Hause etwas ausdenken und dann in die Fremde gehen wollten, um das dann dort umzusetzen. Die Fremde sollte uns als Inspiration dienen und bestimmen, was wir erleben sollten – und nicht das, was wir uns ausgedacht hätten. Das war seine Idee, und einige Monate vor Drehbeginn haben wir uns dann gemeinsam die Geschichte erarbeitet, weswegen ich da nun mit als Drehbuchautor genannt werde. Aber eigentlich war das lediglich ein roter Faden, eine Art Plot. Der Film ist in seiner Machart und seiner Erzählweise sehr speziell, da passiert sehr viel auf kleiner Ebene.
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