Spätestens seit „vincent will meer“ und seinen Auftritten in den beiden „Männerherzen“ -Filmen von Simon Verhoeven ist der 1974 in München geborene „Doctor’s Diary“-Star Florian David Fitz auch in Kinofilmen ein Kassenmagnet. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf Auftritte vor der Kamera, wie in „Die Vermessung der Welt“ oder „Lügen und andere Wahrheiten“, sondern schreibt auch Drehbücher („Da geht noch was!“) oder führt Regie („Jesus liebt mich“). In seinem neuen Kinofilm „Hin und weg“ ist er nun als ALS-Patient zu sehen, der seinem Leben freiwillig ein Ende setzen will.
choices: Die Krankheit ALS ist durch das Ice Bucket Challenge in den sozialen Medien derzeit sehr präsent. Da die Idee zu „Hin und weg“ sicherlich schon früher entwickelt wurde: Was wussten Sie im Vorfeld über ALS?
Florian David Fitz: Ich wusste, wie wahrscheinlich die meisten, nicht viel über die Krankheit. Ich hatte ein vages Bild von Stephen Hawking in seinem Rollstuhl im Kopf. Hawking hat aber einen sehr untypischen Krankheitsverlauf. Sobald die Krankheit einen aktiven Menschen um die 30 trifft, geht es eigentlich immer ziemlich schnell und endet tödlich, spätestens nach drei Jahren, sagt man. Wir haben uns mit Ärzten getroffen, die viele ALS-Patienten behandeln. Erschreckend war für mich, wie ähnlich alle Ärzte reagieren, sobald das Wort ALS fällt. Für die meisten gibt es eigentlich kaum eine schlimmere Diagnose. Und die sehen ja einiges.
Sie haben sich selbst auch der Ice Bucket Challenge gestellt. Wie war es?
Ich hatte erst einen inneren Widerstand. Nicht gegen die Aktion, sondern selber auch Teil dieser Welle zu sein. Aber ich hab dann im Deutschlandfunk gehört, wie viel Geld seit der Challenge gespendet wurde und dachte, „sch... drauf! Wenn's hilft!“ Jetzt habe ich wiederum gehört, dass in Deutschland bei weitem nicht so aktiv gespendet wurde, wie in anderen Ländern. Das Netz ist halt doch eher ein Rummelplatz, oder? (lacht)
Wie bei „vincent will meer“ gibt es auch hier die Sehnsucht nach dem Meer. Entspricht das auch Ihrem eigenen Naturell?
Aber hier steht ja nicht das Meer am Ende der Reise, oder? Zumindest nicht als Ziel... Aber ja, klar. Das Meer ist einfach eine Seelenlandschaft. Das macht etwas mit dem Menschen und zwar in allen Aggregatzuständen. Das Wetter ist eigentlich egal. Ich glaube es ist wie die Wüste oder die Berge. Landschaft in ihrer Weite tut uns halt ganz gut. Den Horizont mal etwas nach hinten verschieben.
In Filmen wird eher selten Fahrrad gefahren. Kam Ihnen das hier gelegen oder sind Sie eher ein Zweiradmuffel?
In der Stadt ist doch Fahrrad das beste Fortbewegungsmittel. Ich würde jetzt sagen, dass man da erheblich flüssiger durch den Betrieb kommt, aber dann läge die Vermutung nahe, dass ich mich nicht an die Verkehrsregeln und rote Ampeln halte. Was natürlich nicht stimmt. Äh, ich möchte meinen Anwalt anrufen. (lacht) Besonders in München steigt ja die halbe Stadt, in enge Wurstpellen gezwängt, auf die extraleichten Carbonräder und jagt in die Berge. Habe ich bisher noch nicht gemacht. Ich hatte immer ein altes Schweizer Armeerad. Das wiegt 30 Kilo und hat keine Gänge. Wie kommen die in der Schweiz damit die Berge hoch? Jetzt habe ich mir als Belohnung für das Drehbuch, an dem ich schreibe, ein Schindelhauer gekauft. Das ist was sehr schönes und das leichtgängigste, was ich jemals gefahren habe.
„Hin und weg“ zeichnet das Bild einer intensiven Freundschaft. Wie wichtig sind Ihnen persönliche Freundschaften und was unternehmen Sie mit ihren Freunden gemeinsam?
Ich habe ja in meinem Beruf mit vielen Leuten zu tun und bin viel unterwegs. Da lege ich gleich noch mal so viel Wert darauf, meine alten Freunde zu sehen, wenn ich zuhause bin. Wir machen eigentlich regelmäßig was. Ob es nun Wandern, Flussfahrten, Museen oder Spieleabende sind. Ich merke einfach, dass man nicht für beliebig viele Menschen Zeit und Energie hat, also konzentriere ich mich auf meine alten Freunde. Die kenne ich ja nun schon mein ganzes Leben und das kann ich vielleicht am Ende desselben auch noch sagen...
Wie war die Stimmung am Set angesichts des bedrückenden Themas? Wurde mehr gealbert als sonst, um das zu kompensieren?
Es war ganz schlimm. Es war das albernste und versauteste Projekt, in dem ich je war. Natürlich muss das Thema irgendwie kompensiert werden. Aber auf der anderen Seite mussten sich ja alle dem Thema aussetzen und haben das so absolut gemacht, dass das ein großes Vertrauen schafft. Man kennt ja nicht jeden supergut im wirklichen Leben, aber wenn man sich gegenseitig in solchen emotionalen Grenzsituationen gesehen hat, das verbindet schon irgendwie.
Hannes sagt, er hatte „ein kurzes, aber erfülltes Leben“. Wie erfüllt ist Ihr Leben bis jetzt, was gibt es noch für unerfüllte Wünsche, beruflich oder privat?
Ich habe nicht mehr das Gefühl, ich müsste mir eine Bucket-List anlegen. Ich habe ja das Glück eines ziemlich abwechslungsreichen Lebens. Aber selbst bei einem weniger von außen geprägten Leben geht es ja irgendwann nicht mehr darum, noch diese oder jene geile Erfahrung zu toppen – diese Erwartung lässt einen ja meistens mit einem faden Geschmack im Mund zurück. Da sitzt man dann auf dem Kilimandscharo und ist einbeinig hochgehüpft. Was soll dann noch kommen? Wenn man das kapiert, lernt man vielleicht noch in diesem Leben, dass es nicht so sehr auf das Was ankommt, sondern auf das Wie. Nachfragen bitte an den Dalai Lama. (lacht)
Sie waren mit Ihren aktuellen Filmen zuletzt Aushängeschild des deutschen Films bei Festivals in Locarno und Toronto. Wie werden deutsche Filme dort derzeit aufgenommen?
Ich kann in Locarno nur von der Publikumserfahrung sprechen und deshalb geht man ja hin – um den Film mit 7000 Leuten auf der Piazza zu sehen. Das ist irgendwie spannend. Man glaubt es nicht, wie konzentriert und still 7000 Leute sein können. Da hustet keiner. In Toronto konnte ich bei unserem Screening nicht mehr da sein, was ich schade finde. Denn in den Filmen, die ich dort gesehen habe, war das Publikum unfassbar direkt und fast laut in seiner Reaktion auf die Filme. Da wird quasi mit dem Film gesprochen. Und später, beim so genannten Q&A, muss nicht wie in Deutschland erst mal der Moderator fünf Minuten überbrücken, bis die erste Frage sich heraustraut, da wird während des Abspanns schon das Mikrophon verlangt und los geht’s. Irgendwie erfrischend.
Demnächst werden Sie in Christoph Hochhäuslers neuem Film „Die Lügen der Sieger“ zu sehen sein. Fühlen Sie sich dem Arthouse-Kino verbundener als der Mainstream-Unterhaltung?
Nee, ich versuche nur meinen Beruf auszuüben und hoffe, dass die Leute irgendwie mitgehen. Man möchte ja auch etwas unberechenbar bleiben, sonst klebt man irgendwann an einer Rolle oder einem Metier. Und klar, meistens ist es eher so, dass man in kleineren Filmen die Grenzen mehr austesten kann. Aber ich hatte Glück, denn zum Beispiel „vincent will meer“ war ja Arthouse mit einem Fuß im Mainstream, und irgendwie war da beides möglich. Das ist dann schon ein Glücksmoment.
Haben Sie nach „Jesus liebt mich“ schon Pläne für einen weiteren Film als Regisseur?
Es kann gut sein, dass der Film, an dem ich gerade für Matthias [Schweighöfer, die Red.] und mich schreibe, am Ende bei mir landet. Matthias wünscht sich das und langsam kann ich über die Autorentätigkeit hinausblicken und mir das auch vorstellen. Das wäre dann wieder Mainstream mit so einem Blick jenseits vom Tellerrand.
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