„Alle, die beim Film arbeiten und um die 40 sind, wollen irgendwann ein Café oder einen Laden eröffnen“, erzählt Claudia Schaaf. „Und ich hab's halt gemacht.“ Ihr Laden, das ist der „Salon Zwei“ in der Gutenbergstraße in Ehrenfeld, direkt gegenüber vom 4711-Gebäude. Vor dem Laden steht eine türkisfarbene Holzbank, im Laden schwere Ledersessel – Überbleibsel aus der Zeit, als hier noch ein Herrenfriseur residierte. Heute sind die Waschbecken mit Make-Up-Utensilien bedeckt, und aus der Maskenbildnerin Claudia Schaaf ist eine Unternehmerin geworden. Finanziert hat sie den Start in die Selbstständigkeit alleine, ohne Banken oder Gründungsprogramme. „Ich kenne die Unsicherheit, dass man auf den nächsten Job wartet“, beschreibt sie die Unterschiede. „Aber einen eigenen Betrieb zu führen, das ist nochmal was anderes. Ich denke jetzt viel langfristiger.“
Sechs Tage die Woche arbeitet sie für das eigene Geschäft: Buchhaltung, Ware sichten, Kunden beraten und Kundinnen schminken. Das Herz des Salon Zwei ist das Make-Up: Naturkosmetik, am liebsten Fair Trade, ohne Tierversuche. „Es muss meinen Ansprüchen genügen.“ Sie findet ihre Produkte auf Messen oder Blogs wie Beautyjagd.de, aber Make-Up anzubieten, ist nicht alles. Im Mittelpunkt steht die individuelle Schminkberatung von Frauen – egal ob Schauspielerinnen oder Privatpersonen. „Die Frauen, die sich hier schminken lassen, haben keine Angst, dass sie verkleidet werden“, beschreibt Schaaf ihre Arbeit als „Green Make-Up-Artist“.
Aber was ist ein „Make-Up-Artist“ – Kreativwirtschaft? Dienstleistung? Oder wenn es am Filmset stattfindet gar beides? Mit den Begriffen der Wirtschaftsförderung die Realität zu beschreiben, ist schwierig. Das Ehrenfelder „Kreativcluster“ – der Lieblingsausdruck von Stadtplanern, wenn es um die Ansammlung von Betrieben geht – ist für Schaaf eher auf dem Papier existent. Mit den Kleinstbetrieben aus Musik und Grafik, die bis Anfang 2013 das 4711-Haus bewohnten, kam der „Salon Zwei“ wenig in Kontakt. „Die hatten drüben ihre eigene Community und kamen eher, wenn sie ein Geschenk gesucht haben.“ Ein Netzwerk existiert eher mit den anderen Läden rund um die Ehrenfelder Körnerstraße wie dem Design-Laden „Utensil“ oder „Le Pop Lingerie“. „Alle diese Läden werden von unglaublich geilen, starken Frauen geführt“, erzählt Schaaf. „Da gibt es einen Zusammenhalt, da entstehen Freundschaften.“ Sichtbar wird dieses Netzwerk bei Veranstaltungen wie dem Körnerstraßenfest, für die Zukunft ist ein Stadtplan mit Einkaufsmöglichkeiten in Ehrenfeld geplant.
Und der Film? Ist diese Episode ihres Lebens abgeschlossen? „Letztes Jahr habe ich drei Tage die Woche an einer Serie mitgearbeitet“, erzählt sie. „Das war kräftemäßig desaströs, aber finanziell wichtig.“ Mittlerweile arbeitet sie nur noch tageweise zur Aushilfe an Filmsets mit. Vielleicht will sie sich einen Film „gönnen“, aber die Zukunft liegt im Laden: „Es ist Wahnsinn, mit wie viel menschlichem Glück man überschüttet wird.“
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Ein Pfund, mit dem wir wuchern sollten“
Ulrich Soénius über die Stärken des Standortes Köln – Thema 06/13 Kreative Masse
Die neue Bescheidenheit
Was kommt nach dem Hype um die Kreativwirtschaft? – THEMA 06/13 KREATIVE MASSE
„Ohne Eigeninitiative läuft nichts“
Manfred Post über Popkultur, Kunst und Markt – Thema 06/13 Kreative Masse
Klein, aber fein?
Umsätze und Probleme der „kleinen Kulturwirtschaft“ – Thema 06/13 Kreative Masse
Gegen welche Regel?
Intro – Flucht und Segen
Rassismus kostet Wohlstand
Teil 1: Leitartikel – Die Bundesrepublik braucht mehr statt weniger Zuwanderung
„Ein Überbietungswettbewerb zwischen den EU-Staaten“
Teil 1: Interview – Migrationsforscherin Leonie Jantzer über Migration, Flucht und die EU-Asylreform
Ein neues Leben aufbauen
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Verein Mosaik Köln Mülheim e.V. arbeitet mit und für Geflüchtete
Schulenbremse
Teil 2: Leitartikel – Was die Krise des Bildungssystems mit Migration zu tun hat
„Die Kategorie Migrationshintergrund hat Macht“
Teil 2: Interview – Migrationsforscher Simon Moses Schleimer über gesellschaftliche Integration in der Schule
Bildung für Benachteiligte
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe in Bochum
Zum Schlafen und Essen verdammt
Teil 3: Leitartikel – Deutschlands restriktiver Umgang mit ausländischen Arbeitskräften schadet dem Land
„Es braucht Kümmerer-Strukturen auf kommunaler Ebene“
Teil 3: Interview – Soziologe Michael Sauer über Migration und Arbeitsmarktpolitik
Ankommen auch im Beruf
Teil 3: Lokale Initiativen – Bildungsangebote für Geflüchtete und Zugewanderte bei der GESA
Das Recht jedes Menschen
Die Flüchtlings-NGO Aditus Foundation auf Malta – Europa-Vorbild Malta
German Obstacle
Hindernislauf zur deutschen Staatsbürgerschaft – Glosse
Weihnachtswarnung
Intro – Erinnerte Zukunft
Aus Alt mach Neu
Teil 1: Leitartikel – (Pop-)Kultur als Spiel mit Vergangenheit und Gegenwart
„Früher war Einkaufen ein sozialer Anlass“
Teil 1: Interview – Wirtschaftspsychologe Christian Fichter über Konsum und Nostalgie
Spenden ohne Umweg
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Netzwerk 2. Hand Köln organisiert Sachspenden vor Ort
„Nostalgie verschafft uns eine Atempause“
Teil 2: Interview – Medienpsychologe Tim Wulf über Nostalgie und Politik
Nostalgie ist kein Zukunftskonzept
Teil 2: Leitartikel – Die Politik Ludwig Erhards taugt nicht, um gegenwärtige Krisen zu bewältigen
Lebendige Denkmäler
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Route Industriekultur als Brücke zwischen Gestern und Heute
Glücklich erinnert
Teil 3: Leitartikel – Wir brauchen Erinnerungen, um gut zu leben und gut zusammenzuleben
„Erinnerung ist anfällig für Verzerrungen“
Teil 3: Interview – Psychologe Lars Schwabe über unseren Blick auf Vergangenheit und Gegenwart