choices: Herr Post, waren Sie nun der Kölner „Rockbeauftragte“, der „Referent für Popularmusik“ oder gar der „Referent für Popkultur“?
Manfred Post: „Popkultur“ ist mittlerweile ein anerkannter Faktor in Kunst und Kultur, über deren Förderung nicht mehr gestritten wird. In der ersten Phase um 1989 war das anders. Damals ging es auch darum, Proberäume und Auftritte für Bands zu organisieren.
Braucht Köln ein solches Amt noch?
Für Köln sind Popkultur und Musik in allen Varianten von Stockhausen bis BAP ja nicht nur ein wichtiger Image- und Wirtschaftsfaktor. Popkultur hat auch eine identitätsstiftende Funktion. Wenn man aus kulturpolitischen Gründen auch dieses Feld betreuen will, ist nach meinen Erfahrungen das Amt zwingend notwendig.
Vor Ihrem Job bei der Stadt waren Sie Geschäftsführer des Kölner Jazzhauses.
Die Arbeit bei der Initiative Kölner Jazzhaus war eine gute Lehre. Ich bin ja weder ein Künstler noch spiele ich ein Instrument. Mit Kulturarbeit und Kulturpolitik hatte ich vorher nichts am Hut. Im Stadtgarten habe ich gelernt, dass ohne Eigeninitiative gerade im kulturellen Bereich nichts läuft. Dass man alles, was der Markt möglich macht, auch bedienen sollte. Und da, wo der Markt kein Geld bringt, muss man andere Formen der Unterstützung organisieren, auch durch einen politischen Auftrag.
Ihr größter Erfolg, Ihr größter Flop in der Kulturverwaltung?
Flops hatte ich natürlich keine! (lacht) Mein größter Erfolg dürfte die Anwerbung der Popkomm gewesen sein. Als ich anfing, startete sie gerade in Düsseldorf, in einem soziokulturellen Zentrum mit 20 Ständen. Ich konnte die Politik und meine Vorgesetzten überzeugen, Geld für die Musikmesse zur Verfügung zu stellen. Mein Rockbeirat wollte dagegen lieber Proberäume anmieten und konnte sich nicht durchsetzen. Daraufhin hat er seine Arbeit beleidigt eingestellt.
Die Presse hat seinerzeit berichtet, Sie hätten die Popkomm „eingekauft“. Eine richtige Formulierung?
Zunächst: Die Marke „Popkomm“ gab es damals noch nicht. Außerdem sollte ich ja nicht nur als eine Art soziokultureller Sozialarbeiter Bands betreuen, sondern vor allem Strukturen aufbauen, um Pop und Rock auch als privatwirtschaftliche Unternehmen zu fördern und ihnen öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Im Gegensatz zu den anderen Kunstsparten sollte nicht Künstler-, sondern Strukturförderung betrieben werden. Dazu passte das Projekt Popkomm, dessen Potential mir schon früh klar war. In ihren erfolgreichen Jahren war die Messe auch international das Fenster der deutschen Popmusikwirtschaft.
Mainstream war damals, dass Kunst und Kultur nichts mit dem Markt zu tun haben dürfen. Die Kulturwirtschaft wurde gerade erst entdeckt. Der erste Kulturwirtschaftsbericht NRW erschien 1991/92.
Dass kulturelle Akteure nicht nur im öffentlichen Sektor aktiv sind wie beim Stadttheater, sondern auch auf dem Markt und trotzdem Kunst machen und förderungswürdig sind, diese Sicht war damals noch ungewöhnlich. Nur der Film machte hier eine gewisse Ausnahme. Es hat einige Zeit gedauert, bis man das auch im Kulturamt und in der Politik begriffen hat.
Pop und Markt gehören zusammen?
Popmusik ist stärker im Markt verhaftet als andere Sparten und braucht daher nicht so große finanzielle Zuwendungen und Subventionen. Gegen das Kriterium der Marktgängigkeit ist auch erst mal nichts zu sagen. Man muss sein Publikum erreichen wollen. Was nützt die beste Kulturpolitik, wenn nur 10 Prozent der Gesellschaft partizipieren? In der Diskussion um das Buch „Kulturinfarkt“ hat man im vorherigen Jahr u. a. über diesen Zusammenhang gestritten. Man muss nicht mit allem einverstanden sein, was die Autoren geschrieben haben. Aber sie haben in die richtige Richtung gedacht.
Auch die „Alte Musik“ hat sich wesentlich über den Markt etabliert.
Bei der Alten Musik ist ein Aspekt wichtig: Es spielen kleine Ensembles, die sich über den Markt tragen können. Auch bei der Bildenden Kunst ist der Markt entscheidend. Die Art Cologne ist eine reine Verkaufsmesse, auf der Millionen umgesetzt werden. Allerdings gibt der Markt auch nicht alles her. Die öffentliche Hand muss da fördern, wo private Initiative nicht ausreicht und der Bedarf ein öffentlicher Bedarf ist. Welcher Privatmann wäre finanziell in der Lage, etwa ein Gürzenich-Orchester zu unterhalten? Kunst und Kultur sind auch wichtige Aspekte der menschlichen Existenz.
Marktfähigkeit ist das eine, wirtschaftlicher Erfolg etwas anderes. Viele Künstler können von ihrer Kunst nicht leben, obwohl sie Qualität hat.
Künstler können von ihrer Kunst nur leben, wenn sie gekauft wird. Das gilt für alle Sparten und ist nicht ehrenrührig, sondern Teil des Jobs. Wenn man kein Geld verdient, muss man es lassen. Das ist radikal und als Provokation formuliert. Wir handeln ja nicht so. Das klassische Selbstverständnis eines Künstlers stellt die eigene Botschaft in den Mittelpunkt: Ich bin Künstler und habe etwas Wichtiges zu sagen. Dass dafür immer die öffentliche Hand aufkommen soll, ist nicht wirklich einzusehen.
Noch einmal ein Blick zurück: 2003 ist die Popkomm nach Berlin gewechselt. 2005 hat das letzte Ringfest stattgefunden. Das Ende welcher Ära?
Man muss zwischen Ringfest und Popkomm unterscheiden. Das Ringfest war eher ein Familientreff für Musikfans, keine Leistungsshow. Die Popkomm war ein Aushängeschild der Stadt. Ihr Weggang war ein Verlust, weniger aus popkulturellen Gründen, sondern weil sie als große Veranstaltung in Kombination mit dem Ringfest auch große Aufmerksamkeit generiert hat. Musikwirtschaftlich hat es dadurch für Köln keinen großen Verlust gegeben. Als Reaktion haben wir mit der c/o pop ein neues Format aufgebaut, das sich stärker auf die Strukturen in der Stadt stützt, und auf elektronische Popmusik gesetzt. Über die c/o pop habe ich dazu ein Netzwerk Musikexport aufgebaut. Wir haben Kölner Künstler nach Island und Brasilien oder Kirgisien gebracht. Auf der Expo Shanghai war Köln nicht nur mit den Höhnern vertreten.
Köln steht für eine innovative Tradition in Sachen elektronischer Musik.
Stockhausen, Can oder das Elektronische Studio des WDR sind weltweit bekannt. Aber man darf daraus kein Museum machen. Vor allem muss man auch sehen, dass andere Kölner Namen kaum bekannt sind. Die Höhner spielen international ebenso wenig eine Rolle wie BAP.
Elektronisch ist heute gleich digital. 2009 kam die gamescom nach Köln, fast zeitgleich startete das creative centre 4711.
Das war eher Zufall. Mit unserem Konzept für „4711“ haben wir einen kreativwirtschaftlichen Wettbewerb gewonnen. Die damit verbundene Förderung hat es ermöglicht, das Netzwerk „Sound of Cologne“ zu gründen.
Das Förderprogramm war auf drei Jahre angelegt. Wie nachhaltig ist so ein Konzept?
Für uns war nicht das Kreativzentrum, sondern das angesprochene Netzwerk endscheidend. Dazu gehört auch die Etablierung der „Klubkomm“, ein Zusammenschluss von Veranstaltern. Wir betreiben auch weiterhin den Musikexport – das ist alles in allem nachhaltig. Weggefallen sind mit dem Ende der Förderung alle Aktivitäten, die nicht unmittelbar etwas mit dem Geldverdienen zu tun haben. Die kleinen Firmen, die einen wesentlichen Teil der Kreativwirtschaft ausmachen, wirtschaften oft unter prekären Bedingungen und können solche Strukturen nicht finanzieren und aufrechterhalten. Sie können sich auch zu hohe Mieten nicht leisten. Hier ist dann von Fall zu Fall die öffentliche Hand gefragt.
Inzwischen gelten Computerspiele, nicht mehr die Popmusik als das eigentliche Leitmedium der Jugendkultur. Welche Bedeutung hat das für die Musikszene?
Mit unserem Kongress C’n’B im Umfeld von c/o pop versuchen wir, das zu thematisieren. Wir sind aktuell dabei, mit Web de Cologne – also dem Internet-Netzwerk – auszuloten, was an Zusammenarbeit möglich ist.
Wie hoch war oder ist der Etat des Referenten für Popularmusik?
1989 habe ich mit 100.000 DM angefangen, das wurde dann zu 50.000 Euro und hat sich bis 2007 nicht großartig verändert. Dann ist unser Etat teilweise zweckgebunden gestiegen. Die c/o pop bekam 150.000 Euro, die Mittel für Proberäume wurden aufgestockt. Mein Etat lag am Ende schließlich zwischen 250.000 und 300.000 Euro. Damit kann man eine Menge machen.
Es hat lange gedauert, bis der Etat erhöht wurde.
Ja. Aber man hat gesehen, dass man auch mit dem geringeren Etat etwas zu bewegen ist. Es geht nicht nur um Geld, sondern vor allem um Ideen und Kooperationen.
Welche Empfehlungen für den Bereich Pop/Kultur geben Sie einer neuen Kölner Kulturdezernentin?
Ich würde da weniger von Pop als vielmehr von der gesamten Freien Szene reden wollen, auch weil Köln eine junge Stadt ist, die von Vitalität lebt. Für Experimente und Neues ist sie wichtiger als die großen Institute. Der Freie Bereich müsste als mindestens gleichgewichtiger Schwerpunkt behandelt werden, dazu kostet es viel, viel weniger Geld.
Man könnte auch viel zur Kulturpolitik sagen.
Sicherlich. Um nur ein wichtiges Thema anzusprechen: Die Kulturpolitik wird sich dringend regionaler aufstellen müssen. Es kann doch nicht sein, dass sich jede mittelgroße Stadt ein Opernhaus hält, das viel Geld kostet. In Köln fressen die Bühnen die Hälfte des Kulturetats. Das ist eine Menge Holz. Wenn man klug kooperiert und auch längerfristig denkt, kann man da viel Geld sparen und es anderswo einsetzen.
Und Ihre persönlichen Pläne?
Ich bin nach wie vor als Netzwerker aktiv, ich arbeite im Verein popkultur köln. Wir betreiben weiter die Vermietung von Proberäumen. Wir bauen ein neues Zentrum im Rechtsrheinischen aus. Wir kümmern uns um Infrastrukturen der Klubs. Seit Kurzem gehöre ich auch zum Vorstand der Klubkomm. In diesem Jahr gibt es erstmals einen Klubaward. Mittelfristig möchte ich die Netzwerke zu einer Art musikwirtschaftlicher Genossenschaft zusammenführen. Das ist mein großer Plan.
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