Nach über 20 Jahren Festivalleitung hat Silke Johanna Räbiger im vergangenen November den „Staffelstab“ an Maxa Zoller weitergegeben, die nun das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund | Köln leitet, das dieses Jahr vom 9.-14.4. in Dortmund stattfindet. Die 1975 in München geborene und in einem kleinen Voreifel-Dorf aufgewachsene Filmkuratorin und Dozentin hat ein bewegtes, internationales Leben hinter sich: Als Aupair-Mädchen ging sie nach Paris und später in ein Nonnen-Hotel nach Rom, wo sie und ihre Freundinnen morgens aus der Disco zurückkamen, wenn die Nonnen zur Andacht aufbrachen. Nach dem Studium der Kunstgeschichte und Romanistik in Freiburg landete sie in Berlin, ehe es sie 13 Jahre nach London verschlug, wo sie am Londoner Goldsmiths College, der Kingston University und dem Sotheby’s Institute of Art Experimentalfilmgeschichte, -theorie und zeitgenössische Kunst unterrichtete. Außerdem organisierte sie Filmprogramme für das Locarno Film Festival, die Tate Modern und die South London Gallery und ist seit 2014 Filmkuratorin der Art Basel. Seit 2012 Jahren lebte sie mit ihrem ägyptischen Mann und ihren beiden gemeinsamen Söhnen in Kairo und unterrichtete dort an der American University.
choices: Frau Zoller, Was hat Sie gereizt, diese neue Aufgabe zu übernehmen?
Maxa Zoller: Ich wollte, vor allem wegen unserer Kinder, zurück nach Deutschland, bevor sie eingeschult werden und hatte mich schon seit 2017 an Unis beworben. Dann machte mich eine Freundin auf die Stellenausschreibung des Festivals aufmerksam. Inhaltlich hat mich vor allem gereizt, hier einem breiteren Publikum nahe zu kommen, nicht weiter in elitären Kreisen zu schmoren. Zudem würde ich gerne politisch an der Feminismus-Debatte weiterarbeiten.
Und – sind Sie gut in Dortmund angekommen?
Ja, wir fühlen uns sehr wohl im Unions-Viertel. Die Kinder genießen die kulturellen Möglichkeiten hier in der Stadt sehr, die vielen Spielplätze, gehen mit Begeisterung in den Kindergarten und haben auch einen engen Kontakt zu meiner deutschen Familie. Und irgendwie strahlt das neue Glück der Mutter auch auf sie aus.
Wenn die Festivalleitung wechselt, bringt die neue Direktion ja oft auch ein eigenes Team mit …
Da die Festivalleitung eine ganz neue Erfahrung für mich ist, werde ich mich erst einmal mit den lokalen Bedingungen auseinandersetzen, um dann langsam Strukturen zu entwickeln. Für mein erstes Festival habe ich nur eine Gastkuratorin eingeladen, die in London lebende Noor Afshan Mirza, eine Engländerin mit indisch-muslimischen Wurzeln.
Wie ist das Festivalthema „Bilderfallen“ entstanden?
Da ich erst spät im Jahr die Festivalleitung übernommen habe und das Programm im Januar stehen musste, konnte ich mit dem Team keine Vorschläge mehr erarbeiten und habe das Thema selbst entwickelt. Spielerisch und zugleich konfrontativ soll es sich mit Täuschung, Tarnung, Maskerade auseinandersetzen. Was ist Original, was ist Fake? Wobei mich besonders die künstlerischen und philosophischen Aspekte interessieren, die Mehrdeutigkeit von Bildern und Geschichten.
Was verbirgt sich hinter der Reihe „Kaleidoskörper“?
Hier stellen wir ein Genre zur Diskussion, über das man stundenlang reden aber nicht immer hinsehen kann: den Horrorfilm. Wir zeigen, meistenteils neue, radikale Produktionen, die nicht unbedingt gefallen wollen. Sie setzen sich mit dem „offenen“ weiblichen Körper, aus dem Blut und Schweiß fließt auseinander und setzen diese Horrorkörper in Bezug zu den drängenden Fragen unserer Zeit: Waren es in meiner Jugend konservative, politische Strömungen, so ist es heute der Kapitalismus, der Frauenkörper unter Druck setzt, zu gefallen und sich verkaufen zu können.
Und wie würden sie die Auswahl der acht Wettbewerbsfilme einordnen?
Das sind alles Spielfilme von Regisseurinnen, die kompromisslos mit ihrem Stoff – von der Geschwisterbeziehung über Migrationsprobleme und christlichen Umerziehungslagern für Lesben bis hin zur Patriarchats-Satire – umgehen und bei denen wir uns besonders auf die Gespräche mit den größtenteils anwesenden Regisseurinnen freuen.
Diversität ist das zur Zeit die Medienbranche beherrschende Thema.
Ja, Diversität, zum Beispiel die Genderfrage, die Ethnizität oder die Barrierefreiheit, wird auch in Zukunft das Festival prägen und schlägt sich ja auch in der diesjährigen Jury-Besetzung nieder.
Was wünschen Sie sich für das Festival?
Dass es uns gelingt, das Publikum in dieses spannende Versteck- und Fallen-Spiel miteinzubeziehen!
Internationales Frauenfilmfestival Dortmund/Köln | 9. - 14.4. | www.frauenfilmfestival.eu
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