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Jan Lankisch mit Hündin Ingrid
Foto: Viktor Rosengrün

„Wir wollten Gegensätzlichkeiten schaffen“

30. September 2021

Jan Lankisch über das Week-End Fest und das, was ihn antreibt – Interview 10/21

Das Week-End Fest feiert dieses Jahr sein zehntes Jubiläum. Das facettenreiche Programm füllt in Köln eine Nische und zieht ein generationenübergreifendes Publikum an. Trotzdem ist es nach wie vor ein Insider-Tipp.

choices: Jan, du warst von Beginn an Teil des Kuratoren-Teams. Was hat sich in zehn Jahren verändert?

Jan Lankisch: In erster Linie die Ausrichtung. Wir haben schon immer musikalische Gegensätzlichkeiten schaffen wollen. Sachen, die auf den ersten Blick nicht zusammen passen, in unserem Mikrokosmos aber schon. Im ersten Jahr hatten wir eine Kraut-Rock-Legende, dazu einen Lo-Fi- Künstler aus den USA und den ehemaligen Sänger von Blumfeld. Insgesamt habe ich mich über die Jahre aber musikalisch weiterentwickelt und ich wollte das Programm auch diverser aufstellen. Ich will mehr als nur die eine Quoten-Frau.

Wie spiegelt sich dieser Anspruch dieses Jahr im Line-Up wider?

Bis auf zwei Männer sind nur Frauen im Programm. Darunter die Synthesizer-Visionärin Suzanne Ciani und die beiden jungen Engländerinnen Emma-Jean Thackray und Flohio. Natürlich freue ich mich auch sehr über den Brasilianer Gilberto Gil und den Äthiopier Mulatu Astatke. Zwei wahre Legenden an einem Wochenende vereinen zu können, ist total schön. Es wird aber auf jeden Fall keine „Weißbrot-Männer-Party".

Worauf freust du dich selbst besonders?

Auf das Projekt mit dem Komponisten Julius Eastman, der vor 30 Jahren verstorben ist. Sein Stück „Stay on It" hat bei mir in dieser orientierungslosen Phase eine unglaubliche Energie freigesetzt mit dem Appell: „Bleib dran!" Wie auch immer das von ihm gemeint war, es ist der Soundtrack meiner letzten anderthalb Jahre und hat mich immer wieder daran erinnert, dass es trotz allem sinnvoll ist, weiterzumachen.

„Einfach nur Bands zu buchen, die den Laden füllen, gibt mir nichts“

Wie hat es denn damals eigentlich mit dem Week-End Fest begonnen?

Ein Freund und ich hatten die Möglichkeit, im damals leer stehenden Ufa Palast ein Konzert zu veranstalten und sofort tausend Ideen. Aus einem Abend wurde ein ganzes Wochenende. Danach waren wir total begeistert von dem, was passiert war. Eine völlig neue Erfahrung. Ich hatte vorher schon Konzerte gemacht, aber noch nie ein Festival geplant.

Habt ihr bei der Buchung von Anfang an ein bestimmtes Konzept verfolgt?

Wir wollten etwas erschaffen, das es nicht rechts und links schon gab. Ich mache das auch jetzt noch, weil ich die Möglichkeit habe, besondere Sachen zu präsentieren und eigene Projekte mitzugestalten. Einfach nur Bands zu buchen, die den Laden füllen, gibt mir nichts. Wenn man so viel Arbeit, Liebe und Zeit da rein steckt, braucht man eine gewisse Erfüllung und die bekomme ich nicht allein durch den Ticket-Verkauf.

Was bedeutet dir dieses zweistellige Jubiläum?

Zurückblickend bin ich manchmal etwas wehmütig, denn der Freund, mit dem ich damals gestartet habe, ist verstorben. Ich frage mich oft: „Was würde Jörg sagen, wenn ich ihm das neue Programm zeige?" Ich glaube dieses Jahr fände er es wirklich sehr gut.

„Ich erreiche langsam das Energie-Level eines Durchschnittsbürgers“

Hättest du eigentlich gedacht, dass es so lange weitergeht?

Niemals! Ich habe das die ersten Jahre noch nebenberuflich gemacht. Ich hatte immer sehr viel Energie, erreiche aber langsam das Level eines Durchschnittsbürgers und das reicht nicht immer aus, um alles zu schaffen. Ich habe zwei Produktionsassistenten, aber das meiste mache ich selbst. Ich wünsche mir, nicht alleine weiter machen zu müssen und würde mich freuen, wenn da noch mal jemand auf der Bildfläche erscheint, bei dem ich sage: „Du bist es!"

Was waren denn über die Jahre deine persönlichen Highlights?

Vor allem Projekte, die man selbst ins Leben rief. Etwa als ich Stephen Malkums von Pavement gefragt habe, ob er hier in Köln eine Platte von Can aufführen möchte oder als ich den Japaner Shintaro Sakamoto überzeugen konnte, bei uns seine erste Live Show zu spielen. Da kamen sogar Leute aus Japan zu Besuch. Das war schon surreal.

Die Mülheimer Stadthalle ist als Veranstaltungsort für ein Festival eher ungewöhnlich. Sie wirkt wie aus der Zeit gefallen und erinnert an einen Abi-Ballsaal.

Ich glaube, solche Events finden dort auch hauptsächlich statt. Wir machen da einmal im Jahr was und am nächsten Tag gibt es dort eine Esoterik-Messe, Postkartenbörse oder Reptilienausstellung.

Und wie seid ihr dorthin gekommen?

Das erste Jahr im Kino war toll, konnte aber nur einmal stattfinden. Im zweiten Jahr war es ein Kompromiss, in einem ganz komischen Laden in Ehrenfeld. Wir wollten etwas Besonderes finden, das noch keiner kennt. Irgendwann sind wir in der Stadthalle gelandet und haben gestaunt. Der Holzboden, die hohen Kassettendecken, die alten Lampen – wie ein ungeschliffener Diamant beziehungsweise ein Diamant, der mal geschliffen war und jetzt wieder geschliffen werden müsste.

Week-End Fest | 8. - 10.10. | Stadthalle Mülheim | www.weekendfest.de

Interview: Eva Maria Albert

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