Seine erste Gitarre baute Mdou Moctar aus Holz und alten Fahrradteilen. Er hatte im Alter von 9 Jahren im Norden Nigers den Desert Blues-Gitarristen Abdallah Ag Oumbadougou auf einem Open-Air-Gratiskonzert gehört: „Der elektronische Sound war atemberaubend.“ Heute, 30 Jahre später, ist Moctar selbst ein virtuoser E-Gitarrist auf den Spuren von Jimi Hendrix. „Afrique Victime“ hieß 2021 sein Durchbruchsalbum, das wie sein brandneues Album „Funeral for Justice“ koloniale Ausbeutung anklagt. Dabei, sagt Bassist und Produzent Mikey Coltun, müsse man ihre Tamasheq-Sprache nicht verstehen: „Unser Gitarrenkrach hört sich an wie ein Krankenwagen. Es ist der Notruf.“
Außerdem sind noch Eddie Van Halen, Ali Farka Toure, Baba Salah (beide aus Mali) und, mit seinen frühen Aufnahmen, Bombino erklärte Vorbilder von Mahamadou Souleymane, wie Mdou Moctar bürgerlich heißt. Tinariwen und Songhoy Blues sind neben Mdou Moctar weitere Bands aus dem Umfeld des oft Wüstenblues genannten „tishoumaren“, eines Musikstils, der traditionelle Tuareg-Musikelemente, u.a. die Polyrhythmik, mit westlichen Blues- und Rockelementen kombiniert. Songhoy Blues und Mdou Moctar, hier vor allem auf ihrem neuen Album „Funeral for Justice“, gehören zu den lautesten Vertretern des Genres.
Ihren Stil entwickelte die vierköpfige Band auf Hochzeitsfeiern. Diese sind im Sahel die gängigste Art, als Musiker aufzutreten. Das ganze Dorf ist eingeladen, und je dynamischer die Band spielt und je wilder getanzt wird, desto mehr Mundpropaganda und neue Buchungen. Mdou Moctar spielten daher schon bald am Anschlag. Der in der Punkszene Washingtons sozialisierte Coltun sagt, dass er das „Do It yourself“-Punkethos in diesen Feiern wiedererkannte: „Die Leute bringen Generatoren vorbei, sie drehen die Verstärker voll auf. Das Equipment ist kaputt, aber irgendwie bringen sie es ans Laufen.“
So ist ein Konzert von Mdou Moctar kein gediegenes Sitzkonzert für gönnerhafte Kenner:innen von Weltmusik. Hier wird nichts zurückgehalten: Die leidenschaftlichen politischen Texte und die Gitarrensoli mit vielen Rückkopplungen befeuern sich wechselseitig. Es dürfte also auch in Köln laut, schnell und wild auf und vor der Bühne abgehen. Dieser Notruf klingt geil.
Mdou Moctar | Di 27.8. 20 Uhr | Gebäude 9, Köln | www.gebaeude9.de
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