Katie Crutchfields Künstlername Waxahatchee ist eine Anspielung auf ihre Heimat Alabama – es ist der Name eines Bachs aus ihrer Kindheit. Zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Allison begann Crutchfield in punk-affinen Undergroundbands wie zum Beispiel P.S. Eliot. 2012 beschloss sie, solo als Waxahatchee weiterzumachen. Ihr Debütalbum „American Weekend“ kam akustisch und „lo-fi“ daher. Der Zweitling „Cerulean Salt“ (2013) geriet härter: Eine einfach gespielte E-Gitarre dominierte, gezielt eingesetzte Drumming- und Bassphasen hielten die Spannung hoch, der Sound war kunstvoll roh. Dazu sang (und singt) Crutchfield in etwa wie eine weniger heisere Lucinda Williams. Im Ergebnis führte dies zu scheinbar einfacher, in Wirklichkeit vielschichtiger Musik, die sich zwischen akustisch und elektrisch, laut und leise, verträumt-verspielt und rau bewegt. Anspieltipp: „Swan Dive“ – am besten aber die ganzen 32 Minuten des Albums am Stück hören.
11 Jahre vorgespult: Das im März erschienene Album „Tigers Blood“ hat sich diesen rohen, instinktiven Ansatz bewahrt, der bewirkt, dass sich die Songs wie aus dem Moment heraus entstanden anfühlen. So finden sich mindestens so viele Ähnlichkeiten mit ihrem Frühwerk wie Unterschiede, auf die die meisten Rezensenten den Hauptfokus legen. „Tigers Blood“ sei ihr Country-Album, heißt es, und stehe in einer Linie mit einer Neuerfindung Waxahatchees seit ihrem 2020er Album „Saint Cloud“ und der Kollaboration mit Zwilling Allison im Bandprojekt Plains 2022 (Album: „I Walked With You A Ways“).
Wahr ist, dass Crutchfield seit 2020 trockene Alkoholikerin ist und die Songs etwas klarer strukturiert sind und klingen. Texte und Vortrag waren immer schon nüchtern. Ihre immer noch rohe Art zu singen und ihr unbedingtes Anliegen, authentische Musik zu kreieren, bewahrt die Musik aber vor allzu Glattem und bloßer Gefälligkeit. Das zärtlich-hymnische „Right Back To It“ zielt sorgfältig und trifft mitten ins Herz. Die Ballade „365“ über Suchtprobleme (im weiteren Sinn) probierte sie über Monate in immer wechselnden Arrangements, bis sie sich für sie und den stilsicheren Produzenten Brad Cook richtig anfühlte. Die Band (MJ Lenderman an der Gitarre, Brad Cook am Bass, Jeff Tweedys Sohn Spencer Tweedy an den Drums, Phil Cook an Banjo, Keyboard und vielem anderen) ist erlesen, der Sound und Waxahatchees neue Musik herb-schön. So schön, wie himmelblaues Salz („Cerulean Salt“) und ungesüßter Fruchtsirup („Tigers Blood“) auf Eiscreme schmeckt. Im Juli ist Waxahatchee im Kölner Gebäude 9 zu Gast.
Waxahatchee | Fr 12.7. 20h Uhr | Gebäude 9, Köln | www.gebaeude9.de
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