Wer setzt sich noch mit Melancholie auseinander, in einer postromantischen Welt, in der es nur noch um Selbstoptimierung geht? Und wer geht noch auf Konzerte, wenn man doch ganz gemütlich Live-Streams schauen kann? Beim Konzert des Duos Lebanon Hanover sind es einheitlich schwarz gekleidete Menschen, die auf der jugendlichen Sinnsuche sind – ein Konzept, das die Generationen durchzieht und auch am Samstagabend im Gebäude 9 durch kein Alter definiert wird. Ist es Anachronismus oder Zeitlosigkeit, die die Musik der Schweizerin Larissa Georgiou und des Briten William Maybelline mit den Menschen verbindet?
Kalt-warme Klangwellen durchziehen die Menschenmenge, während es draußen wie aus Eimern schüttet. Die Zeit bleibt ein bisschen stehen, sie zählt hier nicht richtig. Die meisten Lieder sind vier, fünf Jahre alt und junge Studenten wie auch alte Dark Waver genießen sie. Auch den YouTube-Hit „Gallowdance“ spielen Lebanon Hanover zur großen Begeisterung des Publikums. Manche scheinen eine Zeitreise zum Konzert gemacht zu haben mit ihren toupierten Mähnen und Netzstrumpfhosen, die in von Nieten übersäten Plattformstiefeln münden. Die Nostalgie ist so inhärent, das die Lieder bereits beim Erscheinen in den vergangenen Jahren alt und neu zugleich wirkten. Den dunklen und minimalistischen New-Wave-Sound der Achtziger übersetzt das Duo in die heutige „kalte“ Welt und er findet noch genauso viel Anklang wie zu The-Cure-Zeiten.
Es ist ein universaler und dennoch unverkennbarer Sound, der sich alter Existenzängste bedient und dessen depressiver Unterton sich in den Alltag einebnet, ihn beben lässt, und einen angenehmen Untergrund bildet. „Das ist Kunst“, kommentierte einer der begeisterten Nihilisten lautstark die Performance. Denn die Stimmen von Lebanon Hanover sind nicht eingerostet, vor allem Maybellines, die tief und kratzig ist und bis ins Mark erschüttert, ein Lärm, der nur physisch erfahrbar und mit den Albumversionen der Lieder nicht vergleichbar ist.
Ein Duo, das wie zwischen den Welten schwebt und sich nirgends zu Hause fühlt, zieht verlorene Seelen an, mit einer gewissen Todessehnsucht, aber noch an den Hedonismus des Lebens klammernd, enigmatisch, außerweltlich, unterirdisch und außerirdisch zugleich. Abgang der beiden Musiker, dann die Wiedergeburt der Musik, eine betörende Noise-Beschwörung Maybellines, während Georgiou eine hämmernde Bassline spielt, und das alles in blauem, flackerndem Licht. Schließlich schließt sich der schwarze Vorhang und die After Party von Attaque Surprise beginnt. Draußen zieht zwischen herbstlichen Winden der Winter ein und Lebanon Hanover bot dafür eine bittersüße Einstimmung.
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