Klar, Satire darf alles – das weiß man seit 1919, also seit Kurt Tucholsky in einem Aufsatz diese Behauptung aufgestellt hat. „Nirgends verrät sich der Charakterlose schneller als hier, nirgends zeigt sich fixer, was ein gewissenloser Hanswurst ist, einer der heute den angreift und morgen den“, heißt es darin weiter. Nach den Anschlägen auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ am 7. Januar dieses Jahres zielten die Sympathiekundgebungen für die ermordeten Karikaturisten weniger auf deren Werke als auf die Verteidigung der Pressefreiheit. Wenn dagegen ein Kabarettist sein Fähnlein nach dem Wind hängt und auf sichere Lacher seitens des Publikums baut, hat er seinen Beruf verfehlt.
Gleichwohl gibt es auch in diesem Metier die Möglichkeit, sich im Laufe der Zeit zu steigern, Anfängerfehler selbstkritisch unter die Lupe zu nehmen und sich weiterzuentwickeln. Eben diese Chance sollte man jedem geben, der andere mit Hirn und Humor zum Lachen bringen möchte. Einer, der auf dem besten Weg ist, das Spektrum Migrations-Kabarett zu erweitern, steht mit Aydin Isik am 4. Juni auf der Bühne des Theater 509 im Bürgerhaus Stollwerck. Der türkischstämmige Schauspieler und Kleinkünstler bezeichnet sein Programm „Zu Gast bei Freunden“ als politische Comedy. Will heißen: Er mischt dezidierte Kritik an den Obermöpsen in Berlin mit erfundenen Figuren wie Schardul aus Pakistan und Kenan aus Kreuzberg.
Letzterer hat zum Beispiel eine ausgewachsene Goethe-Aversion. Was der Mann in seinem „Erlkönig“ verzapft habe, gehe auf keine Kuhhaut, so seine Meinung nach erzwungener Schullektüre. Wenn Kenan den Text vorliest, kann man nicht umhin, ihm Recht zu geben – und sich vor Lachen auszuschütten. Und dann ist da noch Schardul, ein 40-Cent-Jobber, der in der Küche eines indischen Restaurants arbeitet und die Welt nicht mehr versteht: zwei Figuren, die Isik mit Leben füllt. Als politischer Kopf sollte er gleichwohl die Präsentation seines gesellschaftskritischen Teils überdenken – die allzu aufgesetzt wirkende Empörung über Ungerechtigkeiten und Dummheiten besitzt weder einen Spannungsbogen noch Zwischentöne. Wobei wir hier den Anfänger-Joker einsetzen: Es kann noch besser werden.
Ein perfekt eingespieltes Team sind dagegen Die ImproVisaToren, eine seit 1998 bestehende Impro-Truppe, die es in sich hat. Sandra Sprünken, Jörg Fuhrländer, Roland Griem und Thomas Schweinsberg lassen es regelmäßig krachen. „Richard Gere tanzt Shakespeare“ heißt das Programm, mit dem sie einmal im Monat – diesmal am 5. Juni – im Theater 509 auftreten und für Gelächter in allen Tonarten sorgen. Das Besondere an ihnen: sie wirken komplett entspannt, knaller sympathisch und gänzlich unambitioniert: Da fliegen die Gute-Laune-Funken nur so ins Publikum. Was dazu führt, dass es Vorschläge für Wunsch-Szenen hagelt. Und mit der deutschen Ursuppen-Improgruppe Springmaus kann das Quartett durchaus mithalten, was die Reaktionsfähigkeit angeht. Und den Witz. Und die Lust am Spielen. Schwört wie immer hoch und heilig die Ihnen stets ergebene
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