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Konfliktsituationen zwischen Pflegenden und Patienten sind Alltag
Foto: Irma Flesch

„Man muss Zwangsanwendung nüchtern diskutieren“

28. Februar 2013

Für Detlef Silvers ist eine sorgfältige Abwägung der erste Schritt gegen Missbrauch – Thema 03/13 Schutzbefohlen

choices: Herr Silvers, die Caritas betreut 700 Menschen in Kölner Altenheimen. 2,5 Stunden Zeit können sich Ihre Mitarbeiter pro Tag für einen Patienten nehmen. Beeinflusst dies die Missbrauchsgefahr?
Detlef Silvers:
Das finde ich ein spannendes und auch reelles Thema in der Pflege. Die Frage von Gewalt und Zwangssituationen ist ein wichtiges Thema, aber es wird meistens zu emotional diskutiert. In der Caritas beschäftigt sich ein Gremium mit diesen Misshandlungen, und es herrscht Einigkeit, dass Gewaltsituationen, in denen jemand geschlagen oder weggesperrt wird, nicht vorkommen dürfen. Im Alltag kommen aber andere Situationen vor, z. B. die Fixierung. Die muss man nüchtern diskutieren. Es gibt Situationen, in denen man Zwang auf einen Menschen anwenden muss, um ihn zu schützen. Die Frage ist, wann ist es gerechtfertigt, und wer legitimiert das?

Hält die Frage nach der Legitimation nicht vielleicht davon ab, nach Alternativen zu suchen? Im Bonner Heim Theresienau werden statt Fixierungen Niedrigbetten eingesetzt.
Ja, man muss Fixierungen minimieren. Aber diese Betten gibt es erst seit fünf oder sechs Jahren, und wir rüsten unsere bestehenden Einrichtungen auch bereits damit nach. Es gibt ja auch andere Mittel, z. B. Sturzmatten vor dem Bett oder Protektoren, eine Art gepolsterte Unterhose. Der Großteil unserer Bewohner ist ja auch nicht von solchen Maßnahmen betroffen. Die große Herausforderung für die Pflegenden ist es, in jeder Situation eine sorgfältige Abwägung vorzunehmen, unter Berücksichtigung des vermeintlichen Willens des Betroffenen und in Abstimmung mit den Angehörigen und Betreuern. Man muss abwägen, aber dann auch damit umgehen, dass man vielleicht auch nach einer Abwägung die falsche Entscheidung getroffen hat.

Missbrauch beginnt schon bei Kleinigkeiten, z. B. dem Umgangston. Was tun Ihre Mitarbeiter in solchen Situationen?

Es gibt Situationen, in denen es zwischen Patient und Pflegekraft eskalieren kann. Das ist normal. Wir raten, die Pflege zu unterbrechen oder an einen Kollegen abzugeben und einfach rauszugehen und durchzuatmen. Gleichzeitig bieten wir Supervision, also die Analyse durch Dritte außerhalb der Einrichtung. Zuerst haben die Mitarbeiter da Hemmschwellen, weil sie meinen, sie müssten sich dort „seelisch ausziehen“. Aber meistens bessert sich das Klima im Team dadurch.

Verändern Sie auch die Arbeitsbedingungen, um Missbrauch vorzubeugen?

Ja, wir versuchen, Belastungen zur Essenszeit mit Teilzeitkräften und Haushaltshilfen zu begegnen. 60 Prozent unserer Kräfte sind mittlerweile in Teilzeit beschäftigt. Der Beschäftigungsrahmen ist eng, keine Frage, aber wir versuchen, die Spielräume zu nutzen.

Wie denken Sie über sogenannte „Pflegepaten“, also Dritte, die sich um pflegebedürftige Menschen kümmern, auch wenn sie keine Angehörigen sind?

Grundsätzlich sind Offenheit und Transparenz auch gegenüber Dritten sinnvoll, weil sie nochmal einen anderen Blick mitbringen. In Heimen gibt es z.B. heute schon Pflegebeiräte. Ich hoffe aber, dass man auch genügend Menschen findet, die bereit sind sich zu engagieren.

INTERVIEWS: CHRISTIAN WERTHSCHULTE

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