choices: Frau Imdahl, Ihr Institut hat festgestellt, dass Werbung zunehmend akzeptiert wird. Trifft das auch auf die drohende Wahlwerbung zu?
Ines Imdahl: Das Wort „drohend“ passt ganz gut, denn Wahlwerbung ist in aller Regel nicht wirklich gut. Sie macht einen zentralen Fehler, den wir in der Mediaplanung sehr häufig antreffen. Sie meint, möglichst penetrant sein zu müssen, damit die Wähler sie auch wahrnehmen.
Aber ohne Werbung geht es auch nicht?
Die Menschen denken, eine Partei hat nur dann eine gewisse Bedeutung, wenn sie präsent ist. Nichtsdestotrotz fühlen wir uns genervt, wenn uns die Plakate an jeder Ecke überfallen. Die Akzeptanz von Werbung bezieht sich vor allem auf ihren Inhalt, nicht auf die Form ihrer Präsentation.
Die Form sollte dem Inhalt folgen. Wie wichtig ist dann das Ambiente eines Wahllokals?
Es wäre natürlich schöner, wenn diese Räumlichkeiten etwas netter gestaltet wären. Aber das ist nicht wirklich wichtig. Die Wähler haben ihre Entscheidung in der Regel schon vorher getroffen und sind dabei stärker von der Umgebung beeinflusst, in der sie leben als vom Wahllokal.
Wie wählen Frauen, wenn sie denn wählen? Unterscheiden sie sich dabei von den Männern?
Frauen neigen stärker als Männer dazu, sich zunächst einmal aus dem Angebot der PolitikerInnen eine Art Idealteam zusammenzusetzen. Sie finden vielleicht Ursula von der Leyen von der CDU gut, aber auch Sylvia Löhrmann von den Grünen. Für die Gebildeteren ist häufig die persönliche Kompetenz der jeweiligen Person wichtig. Die weniger Intellektuellen suchen nach einer Person ihres Vertrauens, die ihre Interessen vertritt. Kurz, wenn Wählerinnen so könnten, wie sie wollen, würden sie am liebsten Menschen, nicht Parteien wählen. Hinzu kommt, dass Frauen politisch nicht so festgelegt sind wie Männer. Allerdings lässt auch bei denen die Parteienbindung nach.
Käme dem weiblichen Auswahlverfahren da nicht ein Wahlmodus entgegen, der den Wählern eine Auswahl der Parteikandidaten ermöglicht – wie das Kumulieren und Panaschieren?
Das käme der weiblichen Haltung sicherlich entgegen. Damit wird aber Werbung nicht überflüssig. Auch diese Menschen müssten sich und ihre Botschaft bekannt machen.
Sollten Frauen Frauen wählen, weil Frauen anders sind?
Frauen wählen Frauen nicht, weil sie Frauen sind. Sie denken auch im normalen Alltag nicht so. Männer sind da anders und bilden nicht nur in der Politik Männernetzwerke. Frauennetzwerke sind da eher Sandkastenspiele. Unter Frauen ist man entweder Freundin oder Feindin.
Auch Männer können durchaus irrational handeln. Ist der Wähler an sich als Konsument von Politik eine schizophrene und multiple Persönlichkeit?
Die Menschen reagieren heute vielfältiger als früher, abhängig von ihrer Verfassung und ihren Eindrücken. Insgesamt sind sie multiple Persönlichkeiten. Heute kann ich beim Thema Klima grün sein, bei sozialen Fragen eher die Position der SPD teilen, bei Wirtschaftspolitik mit der CDU unterwegs sein. Man will sich nicht mehr so festlegen lassen und pocht auf die eigene Meinung.
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