Das traditionsreiche afrikanische Filmfest „Jenseits von Europa“ findet alle zwei Jahre in Köln statt. In den dazwischen liegenden Jahren werden kleinere Specials zu unterschiedlichen Themen organisiert. Vom 17. bis zum 27. September widmet man sich nun dem „African Diaspora Cinema“. Dass man damit nur die nur die Zeit bis zum nächsten Festival überbrückt, relativiert sich, wenn man sieht, dass „African Diaspora Cinema“ immerhin 42 Filme von RegisseurInnen afrikanischer Herkunft aus fünf Kontinenten zeigt und für die Filmgespräche und Diskussionen 28 internationale Gäste eingeladen hat. Eine Ausstellung, ein Eröffnungskonzert und die Abschlussparty ergänzen das pralle Programm.
Schon die vorgelagerte Auftaktveranstaltung am 9. September im Institut français mit „Afrique sur Seine“ von Paulin Vieyra von 1955 und „La Noir de...“ von Ousmane Sembène aus dem Jahr 1966 zeigt, dass es viel zu entdecken gibt. Vieyras Kurzfilm „Afrique sur Seine“ gilt als erster afrikanischer Film und behandelt sogleich das Thema der Diaspora. Er arbeitete häufig mit dem zwei Jahre älteren Schriftsteller und Regisseur Ousmane Sembène zusammen, der als Vater des afrikanischen Kinos gilt. Dessen erster Langfilm „La Noir de...“ erzählt von dem tragischen Schicksal einer jungen Afrikanerin, die in Südfrankreich als Dienstbotin arbeitet. Ohne Zweifel zwei Meilensteine des afrikanischen Kinos, aus einer Zeit, als sich der Postkolonialismus gerade um theoretische Schriften wie Frantz Fanons „Schwarze Haut, weiße Masken“ oder „Die Verdammten dieser Erde“ formierte. Der minimalistisch inszenierte Kinofilm „Meurtre à Pacot“ von Raoul Peck, der in diesem Jahr bereits auf der Berlinale zu sehen war, widmet sich hingegen nicht den Spannungen zwischen den Kontinenten, sondern zwischen den Gesellschaftsschichten. Sie brechen nach dem großen Erdbeben in Haiti gewaltsam auf.
Auch die Kurzfilmprogramme sind voller Überraschungen: In jeder Hinsicht ungewöhnlich ist „Afronauts“ von Frances Bodomo aus dem vergangenen Jahr. Der Film greift historische Tatsachen auf und erzählt von einem Wettstreit der Zambia Space Academy mit der NASA im Jahre 1969. Die Idee des Lehrers Edward Makuka Nkoloso, noch im selben Jahr zum Mars zu fliegen, mutet wie eine Exodus-Fantasie an, wie man sie im Afrofuturismus von Musikern wie Sun Ra oder George Clinton kennt.„Miniyamba“ ist ein Animationskurzfilm über einen Musiker, der mit seiner N‘goni, der afrikanischen Laute, von Mali nach Frankreich reisen will, um dort eine CD aufzunehmen. Zwischen der Wirklichkeit und seinem Traum stehen seine Geldnot und die fehlenden Papiere. Luc Perez‘ Drama erzählt von der allseits bekannten Migrationsbewegung von Afrika nach Europa, doch die Pointe des Films ist in ihrer Trivialität schockierend. Ästhetisch erinnert der Film an die Arbeiten des Südafrikaners William Kentridge, der seine Bilder immer wieder radiert und verändert, bis daraus ein vibrierender Bilderfluss wird. Perez beginnt mit Kohlezeichnungen und gelangt über Aquarell zur Ölmalerei. Es wird in Richtung Norden immer bunter und reicher. Aber ob hinter dem Schein das Glück wartet, ist fraglich. „African Diaspora Cinema“ erzählt von dem Leid und den Hoffnungen, die Afrikaner zum Aufbruch in eine ungewisse Zukunft treiben. Ebenso erzählt das Festival von den Enttäuschungen und Schrecken, die sie auf ihrem Weg ereilen. Aktueller könnte das Thema eines Filmfestivals gar nicht sein.
„African Diaspora Cinema“ | 17.-27.9. | Filmforum NRW, Filmhaus | www.filme-aus-afrika.de
Das Programm:
Do. 17.9.:
18:30: Festivaleröffnung (Filmforum, mit internationalen Gästen und Live-Musik von Mariama)
21:00: Mord in Pacot (Filmforum, OmU, mit Regisseur Raoul Peck u. Hauptdarsteller Alex Descas)
Fr. 18.9.:
18:30: Die Arier (Filmforum, OmU, mit Regisseurin Mo Asumang)
21:00: Under the Starry Sky (Filmforum, OmU, mit Regisseurin Dyana Gaye)
Sa. 19.9.:
16:00: Raca (Filmforum, OmeU)
18:00: Like a Man on Earth (Filmforum, OmU, mit Regisseur Dagmawi Yimer)
20:00: Red Leaves (Filmforum, OmU, mit Regisseur Bazi Gete)
22:15: Short Film Night (Filmforum, OV, OmU, OmeU)
So. 20.9.:
13:00: Toussaint Louverture (Filmforum, OmeU)
17:00: Tango Negro (Filmforum, OmeU)
19:00: The Abominable Crime (Filmforum, OmU, mit Simone Edwards und Dane Lewis)
Mo. 21.9.:
19:00: Schwarz ist der Ozean - Zur Geschichte und Gegenwart von (Zwangs-)Migration und Flucht (Zentralbibliothek Neumarkt)
Di. 22.9.:
19:00: Portrait of a Lone Farmer (Filmhaus, OmU, mit Regisseur Jide Tom Akinleminu)
21:00: The Narrow Frame of Midnight (Filmhaus, OmeU)
Mi. 23.9.:
19:00: Kurzfilmprogramm mit Gästen (Filmforum)
21:00: Moloch Tropical (Filmforum, OmU, mit Hauptdarsteller Patrick Joseph)
Do. 24.9.:
19:00: Bound: Africans vs. African Americans (Filmforum, OmU, mit Regisseurin Peres Owino)
21:30: Stones in the Sun (Filmform, OmeU)
Fr. 25.9.:
17:30: Through a Lens Darkly: Black Photographers and the Emergency of A People (Filmforum, OmU)
19:30: Podiumsdiskussion: Schwarze Deutsche in Medien und Gesellschaft (Filmforum, mit Esther Donkor, Marie Enganemben, Julius B. Franklin, Marius Jung, Sami Omar, Nadina Schwarzbeck)
22:00: Wohin ich gehe (Filmforum)
Sa. 26.9.:
16:00: Doppelprogramm: Va pensiero/Blues in Schwarz-weiß (Filmforum, OmeU, mit Theodor Wonja Michael)
18:00: Burn the Sea (Filmforum, OmU, mit Nathalie Nambot, Maki Berchache)
20:00: Fevers (Filmforum, OmU, mit Slimane Dazi)
21.00: Jalla! Weltmusikparty (Schokoladenmuseum)
So. 27.9.:
16:00: Lesung Marius Jung (King Georg)
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