Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.585 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Kunstvoll erzählte Alltagsbeobachtungen von Agnès Varda in „Cléo ...“
Foto: Institut français

Tabula rasa

09. April 2020

Eine Reihe zu filmischen Manifesten – Reihe 04/20

Update: Die Filmreihe zu filmischen Manifesten konnte wegen der Corona-Krise nicht wie geplant im April starten, ist jetzt aber mit dem Junitermin angelaufen, die entfallenen Termine von April und Mai werden im Herbst nachgeholt.

Alles Neue entwickelt sich aus dem Alten. Mal geschmeidig, mal brüchig. In der Kunst wird häufig der Bruch betont, grenzt sich das Neue demonstrativ vom Alten ab, auch wenn es ohne das natürlich nicht denkbar wäre. Ein künstlerisches Manifest ist eine solch demonstrative Inszenierung, in der es um die Abgrenzung vom Status Quo geht. Die Kunstgeschichte ist voll von lustvollen Manifesten, die alles Andere mit einem absoluten Geltungsanspruch in die Tonne treten wollen. Punk also! In der Bildenden Kunst beginnt die Tradition des Künstlermanifestes Anfang des 20. Jahrhunderts beim Futurismus, in der Filmgeschichte gibt es kurz darauf ähnliche Formen. Das Filmforum im Museum Ludwig widmet sich in der Reihe „Filmgeschichte(n)“ mit dem neuen Programm von Juni bis Dezember 2020 filmischen Manifesten und zeigt Filme, die die Forderungen einlösen oder auch ersetzen, weil die Filme an sich bereits das Manifest sind. Jeweils begleitet von einer Einführung durch Experten sind ein- bis zweimal pro Monat Klassiker oder Meilensteine der Avantgarde zu sehen, die mit ihrer Erzählweise oder Ästhetik einen Bruch zur Vergangenheit und zum Mainstream erzeugen.

Meist sind es junge Filmemacher, die dem Impuls zur Veränderung folgen. Wie der Theaterregisseur Karlheinz Martin, der 1920 34-jährig sein expressionistisches Spielfilmdebüt „Von morgens bis mitternachts“ komplett im Studio dreht (2.9., 19 Uhr, mit Live-Musik von Tobias Thomas, Kompakt). „Cléo – Mittwoch zwischen 5 und 7“, ein frühes Meisterwerk der Nouvelle Vague von Agnès Varda, etabliert den Alltag und zugleich einen weiblichen Blick in der männerdominierten Neuen Welle (22.10., 19 Uhr). Weniger bekannt ist „Pather Panchali“ von Satyajit Ray. Das Debüt des indischen Regisseurs von 1955 erzählt von einer Familie, die in den 20er Jahren in die Großstadt zieht. In seiner Schrift „What is wrong with Indian Films?“ schreibt Ray 1948, dass das Kino weniger Hochglanz denn Fantasie brauche. Das rohe Filmmaterial sei bereits Leben genug (10.12., 19 Uhr).

In England formiert sich parallel zur Nouvelle Vague das Free Cinema. Karel Reisz‘ „Samstagnacht bis Sonntagmorgen“ (18.6.) erinnert nicht zufällig an Vardas Filmtitel – bzw. umgekehrt. In beiden Filmen geht es um Alltagsbeobachtungen unter ‚kleinen Leuten‘.

Anti-Hollywood ist auch das Debüt „Schatten“ von John Cassavetes aus dem Jahr 1959, ein Vorläufer des New Hollywood, der drei afroamerikanische Geschwister in New York im Alltag zwischen Liebe, Jazz und Rassismus zeigt (13.8., 19 Uhr). Das antikoloniale sogenannte „Dritte Kino“ – ebenfalls Anti-Hollywood – findet mit dem brasilianischen „Cinema Novo“-Regisseur Glauber Rocha Eingang in die Reihe. Sein Film „Gott und der Teufel im Land der Sonne“ von 1964 thematisiert die Ausbeutung in Bildern voller Gewalt und Gegengewalt (9.7., 19 Uhr). Das zweite Halbjahr knüpft mit „Soleil O“ (27.8.) von Med Hondo über einem Migranten im Paris der 60er Jahre dort an, macht u.a. mit einem Kurzfilmprogramm zum Oberhausener Manifest mit Filmen von Alexander Kluge, Edgar Reitz weiter, landet bei Lars von Triers Dogma-Film „Idioten“ (12.11.) und endet mit einem aktuellen Programm mit dem Titel „Und jetzt?“, das fragt, ob es Manifeste überhaupt noch gibt und ob sie noch gebraucht werden.

Filmgeschichte(n): Manifeste | April bis Dezember 2020 | Filmforum im Museum Ludwig | www.filmforumnrw.de

Christian Meyer-Pröpstl

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Wenn Kino Schule macht
Die Reihe Filmgeschichte(n) spürt Schulgeschichten auf – Festival 05/24

Der Atem des Films
Das Festival „Edimotion“ holt die Monteure des Films ins Rampenlicht – Festival 10/23

Vom Kolonialismus zum Postkolonialismus
18. Afrika Film Festival blickt auf Historie und Gegenwart – Festival 09/21

Erkundung der Kinolandschaft
Eine Filmreihe widmet sich den „Mythen der Wildnis“ – Festival 03/19

Spuren in die Gegenwart
Filmreihe blickt auf Pogromnacht in Köln und ihre Folgen – Kino 11/18

Zukunft des Kinos
ifs-Begegnung „Film und Kunst nach dem Kino“ im Filmforum – Foyer 04/18

Tabubrüche als Aufklärung
Reihe über Skandale um NS-Vergangenheit – Spezial 03/18

Film zur Ausstellung
„I Am Not Your Negro“ im Filmforum – Foyer 03/18

Menschliches, Allzumenschliches
Das Filmforum zeigt Filme zum Thema „Rache – Schuld – Vergebung“ – Festival 03/18

Der Preis eines Menschenlebens
Stranger Than Fiction: Karin Jurschick stellt „Playing God“ vor – Foyer 02/18

Drehen im Krisengebiet
„Das Milan-Protokoll“ im Filmforum – Foyer 01/18

Blick in die Seele der Menschen
Eröffnung von Filmplus im Filmforum – Foyer 10/17

Film.

Hier erscheint die Aufforderung!