Dass biologisch produzierte Lebensmittel inzwischen zu einem ernstzunehmenden Wirtschaftszweig geworden sind, ist schön und gut – doch in einem unterscheiden sich zahlreiche Biomärkte nicht von konventionellen Discountern: Ein großer Teil der angebotenen Produkte ist aufwändig verpackt, vielfach in Plastik. Doch auch wenn das Thema inzwischen oft unter dem Radar bleibt, bedeutet Verpackungsmüll nach wie vor eine große ökologische Belastung.
Laut dem Umweltbundesamt fielen im Jahr 2014 in Deutschland 17,8 Millionen Tonnen Verpackungsmüll an – der bisher höchste Wert seit 1991. Ein großer Teil davon wird hierzulande zwar inzwischen recycelt oder anders weiter verwertet, doch die wiederverwerteten Rohstoffe reichen nicht aus, um den Bedarf des Einzelhandels nach neuem Verpackungsmaterial zu decken.
Am besten und ressourcenschonendsten ist also nach wie vor der Müll, der gar nicht erst entsteht.
Unter dem Stichwort „Zero Waste“ versuchen daher viele Konsumenten, ihren Verpackungsabfall soweit es geht zu reduzieren. Auch auf Seiten der Einzelhändler formiert sich eine Gegenbewegung: Inzwischen finden sich bundesweit bereits 30 Lebensmittelläden und Supermärkte, die ihre Waren unverpackt anbieten.
Vor kurzem erst hinzugekommen ist „Tante Olga“, der im vergangenen November in Köln-Sülz eröffnet wurde. Inhaberin Olga Witt, die den Laden gemeinsam mit ihrem Mann Gregor und einer weiteren Partnerin aufbaute, betreibt bereits seit ein paar Jahren den Blog „Zero Waste Lifestyle“, mit dem sie ihre Bemühungen beschreibt, den Müllverbrauch ihres Haushalts zu reduzieren. „Anfang des Jahres betrieben wir bereits einen Online-Handel für Spezialprodukte, die man für einen müllfreien Lebensstil braucht, wie etwa Rasierhobel oder Menstruationstassen“, sagt sie. „Nur Lebensmittel mussten wir noch oft verpackt kaufen – und dann haben wir gedacht, wenn es so einen Laden in Köln noch nicht gibt, müssen wir ihn eben selbst aufmachen.“ Das nötige Startkapital beschafften sie sich durch eine Crowdfunding-Aktion.
Der Einkauf bei Tante Olga funktioniert dabei so, wie es in Unverpackt-Läden inzwischen üblich ist: Die Kunden bringen ihre eigenen Behältnisse von zuhause mit, in die sie die gewünschten Lebensmittel in der benötigten Menge aus Spendern abfüllen. An der Kasse wird das Gewicht der Behälter anschließend abgezogen. Die Angebotspalette reicht von Nudeln, Reis, Mehl, Nüssen, Hülsenfrüchten, Soja-Produkten über Gewürze, Tee und Kaffee bis hin zu Trockenfrüchten und Süßwaren. Geplant ist, möglichst bald auch Milchprodukte, Honig und Eier anbieten zu können.
„Die Lebensmittel stammen alle aus biologischem Anbau. Wir schreiben es allerdings nicht extra drauf, denn die Zertifizierung als Bio-Lebensmittel können wir uns noch nicht leisten“, so Witt. Bei Hygieneartikeln setzt Tante Olga vor allem auf feste Darreichungsformen, wie etwa Haarseife und Zahnputz-Tabletten.
Eine weitere Herausforderung für Unverpackt-Läden ist die Belieferung, denn die meisten Großhändler setzen ebenfalls viel Verpackung und Plastik ein. „Wir arbeiten vor allem mit zwei Großhändlern zusammen“, so Witt. „Auf mittelfristige Sicht streben wir allerdings an, so viel wie möglich aus der Region zu beziehen und kleinere Anbieter zu bevorzugen.“ Beim Ankauf der Gewürze etwa arbeiten sie mit einem Anbieter aus Troisdorf zusammen, der seine Erzeugnisse in Papier verpackt statt Plastik. „Das kostet allerdings auch gleich dreimal soviel. Da stellt sich natürlich die Frage, ob die Kunden auch bereit sind, das zu zahlen“, gibt Witt zu bedenken.
Doch bisher ist das Interesse der Kunden an dem neuen Angebot groß. Olga Witt und ihre Mitstreiter stehen im regen Austausch mit den Betreibern von Unverpackt-Geschäften in anderen Städten und geben ihre Erfahrungen an Gründungswillige weiter. Die Gründung eines Branchenverbandes ist bereits beschlossene Sache.
Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und engels-kultur.de/thema
Aktiv im Thema
www.tasteofheimat.de | gemeinnütziger Verein mit Sitz in Köln und Online-Plattform für Verbraucher. Bietet u.a. eine deutschlandweite Übersichtskarte mit regionalen, tierfreundlichen und bäuerlichen Lebensmittelerzeugern
www.bio-mit-gesicht.de | Qualitätsinitiative verschiedener ökologischer Landbauverbände, mit der Produkte gezielt bis zum Erzeuger zurückverfolgt werden können
tante-olga.de | erster Unverpackt-Laden in Köln
Thema im Februar ESKAPISMUS
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