Der Exzentriker Richard Dawson steigt mit seinem neuen Album „Peasant“ ins Mittelalter und fantasiert über die Vergangenheit, um immer wieder im Hier und Jetzt zu landen. Musikalisch gilt er als der folky Captain Beefheart, weist aber auch eine Nähe zur Canterbury-Szene oder britischem Folk Rock auf: Schrabbelnde Akustikinstrumente treffen auf virtuose Kopfstimme, sogar Chöre und leichte Dissonanzen – und nicht zuletzt großartige Melodien (Domino). Nach über dreißig Studioalben und unzähligen EPs und Singles sowie Livealben veröffentlichen die Melvins mit „A Walk with Love and Death“ ihr erstes Doppelalbum und zeigen im 34. Jahr der Bandgeschichte auf beeindruckende Art, was sie alles können: Wuchtige Riffs, komplex gebreakter Metal, grimmige Drones, erhabener Pathos, aber nichts von dem standardisiert, sondern immer Melvins-like verschroben. Und dann ist da noch das zweite Album: Ein Soundtrack, mit dem sie allerlei Experimenten zwischen Rock, Elektronik und Klangcollage auf Basis von Fieldrecordings frönen, wie man es ansatzweise aus der Mitte der 90er von ihnen kennt. Beeindruckend (Ipecac).
Als der Kölner Filmproduzent Stephan Holl 2014 gemeinsam mit dem philippinischen Regisseur Khavn de la Cruz in dessen Heimat die Gangsterballade „Ruined Hearts“ produzierte, spielte die philippinische Retroband Bing Austria & The Flippin’ Soul Stompers den Titelsong. Aus dieser kleinen Einlage wurde nach ein paar Musikclips von Khavn und kurzen, aber intensiven Studioaufenthalten das Album „Rosas Espektos“, mit Texten von Khavn und musikalischer Unterstützung von Stereo Total. Die Musik – Soul, Rocksteady, Ska im Geiste der 60er – ist rau und eindringlich (Fun in the Church). Neben der traditionellen Musik Séga, die auf der südöstlich von Afrika gelegenen Inselkette der Maskarenen – Mauritius und La Réunion – vorherrscht, ist auf letzterer außerdem Maloya verbreitet. Traditioneller, rhythmischer und weniger von europäischen Instrumenten bestimmt, ist die Musik vor allem durch ihre rhythmische Betonung und sehr komplexe Struktur geprägt, die oft klingt wie abstrakte Breakbeats mit Sampleschnipseln. Der musikalische Pointilismus auf der Compilation „Oté Malayo – The Birth of Electric Maloya on Réunion Island 1975 – 1986“ ist aber handgespielt, auch wenn auf den versammelten Stücken die Synthesizer dezent Einzug gehalten haben. Der Nachfolger der Strut-Compilation „Soul Sok Séga“ steht dieser in nichts nach (Strut).
Nach dem N.W.A-Film „Straight Outta Compton“ im letzten Sommer startete am 16. Juni das Biopic „All Eyez on Me“ über das kurze Leben des Rappers Tupac Shakur. Von Anfang bis Ende ist der Film eher ein Denkmal als die wahre Geschichte, auch wenn nicht unbedingt Fakten verdreht werden. Wer das Ganze gerne etwas nüchterner hat, liest „Original Gangstas“. Ben Westhoffs detaillierter Abriss der Entstehung von Gangsta Rap beginnt in den frühen 80ern und schließt mit der Gegenwart. Die Morde an Tupac und Biggie Smalls alias The Notorious B.I.G. sind der Tiefpunkt einer Gewaltspirale, die mit der Crew N.W.A. um Dr. Dre, Eazy-E und Ice Cube anfängt und den Kern der Erzählung bildet, die natürlich auch von dem Labelstreit zwischen Ruthless Records und Death Row Records, von Snoop Dogg, Warren G und all den anderen spannend, aber nie sensationsgeil erzählt (Hannibal).
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