Sonntag, 13. Januar: In der Reihe „Junge Palette“ präsentiert die Filmpalette am Eigelstein in Kooperation mit der Filmzeitschrift „film dienst“ neue Produktionen, die insbesondere junge Zuschauer ansprechen möchten, dabei aber auch Wert auf Qualität und kontroverse Themen legen. Zur Auftaktveranstaltung im Kalenderjahr 2013 war der aus Berlin angereiste Regisseur Frieder Schlaich („Otomo“) zu Gast, der in einem Publikumsgespräch mit „film dienst“-Chefredakteur Horst Peter Koll seinen neuesten Film „Weil ich schöner bin“ präsentierte. Darin hat der Filmemacher ein heikles Thema aufgegriffen: illegale Einwanderer in Deutschland. Doch das Thema wird zusätzlich aus einer ungewohnten Perspektive beleuchtet, denn im Mittelpunkt steht ein 13jähriges Mädchen, aus deren Sicht die vertrackte Situation geschildert wird. Für Koll entstand hier ein „temperamentvoll-ernster Film über Kinder und ihr Anliegen“. Schlaich erläuterte im Gespräch, dass er nach dem eher dogmatischen „Otomo“ über einen Afrikaner in Stuttgart nun einen emotionaleren und damit leichter zugänglichen Film zum Thema machen wollte. Initiiert wurde die Idee durch einen Anruf einer BR-Redakteurin, die einen Stoff für den 20.15-Uhr-Sendeplatz suchte, aber der Bayerische Rundfunk stieg später genauso aus dem Projekt aus wie der ebenfalls interessierte WDR.
Frieder Schlaich war das Drehbuch, dessen Autorin Claudia Schaefer sehr nah an den realen Geschehnissen dran war, viel zu wichtig, als dass er das Projekt nach dem Ausstieg der Fernsehanstalten nicht weiterverfolgt hätte. Mariangel Böhnke, die junge Laiendarstellerin, die er schließlich für die Hauptfigur der Charo auswählte, war als Einzige ohne Mutter zum Castingtermin ins Produktionsbüro gekommen. Ein ähnlicher privater Hintergrund hätte ihr nach Meinung des Regisseurs die Kraft und Natürlichkeit gegeben, die für die Rolle notwendig war. Dass es aufgrund der Launen der Hauptdarstellerin trotzdem nicht immer einfach war und im Schnitt sehr viel getrickst werden musste, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, verriet Schlaich den interessierten Besuchern der Filmpalette. Den Zugang zur geschilderten Welt fand der Regisseur allerdings sehr leicht: „Ich habe bei dem Film sehr eng mit meiner Tochter zusammengearbeitet, die damals auch 13 Jahre alt war.“ Sie und ihre Freundinnen berieten ihn u.a. bei der Auswahl der Musiktitel.
Eine weitere wichtige Komponente des Films, auf die Frieder Schlaich auch vom Publikum angesprochen wurde, stellen die Animationssequenzen dar. Die ließ er sich von Nachwuchsanimator Stefan Müller („Der Notfall“) gestalten. „Ich wollte schon immer mal was mit ihm machen und versuche auch schon seit Langem, ihn dazu zu überreden, mal einen Langfilm zu drehen, weil ich seine Kurzfilme so toll finde“, erläuterte Schlaich in Köln. Dass die Sequenzen zunächst ein wenig aus dem Erzählfluss herausreißen, ist dabei durchaus beabsichtigt: „Ich wollte alles in den Film reinpacken und mir selbst beim Drehen alles erlauben.“ Ebenfalls kontroverse Reaktionen löste das Ende des Films aus, das nur bedingt als Happy Ending gelesen werden kann. Doch genau die Zwickmühle, sich zwischen der Familie und den Freunden entscheiden zu müssen, soll auch die Zuschauer anregen, über das Dilemma im Leben der Protagonistin nachzudenken. So ist es Frieder Schlaich mit „Weil ich schöner bin“ auf undogmatische Weise gelungen, die Aufmerksamkeit der Kinobesucher auf Probleme anderer zu lenken, mit denen man ansonsten womöglich nicht konfrontiert worden wäre.
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