Montag, 1. Oktober: Es war eine Film-Sonderveranstaltung der etwas anderen Art. Dieses Mal war zur Filmvorführung im Odeon-Kino keiner der Filmemacher anwesend, dafür eine ganze Reihe Experten, die sich zu den im Film „Berg Fidel – Eine Schule für alle“ angesprochenen Themen aus erster Hand äußern konnten. Gemeinsam hatten Prof. Dr. Andrea Platte und Yvonne Oerder von der Fachhochschule Köln mit Barbara Brokamp von der „Montag Stiftung“ zur Diskussion geladen, die im Rahmen der Fachtagung „Forum Inklusive Bildung“ der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften stattfand. Als Stargast hatte sich der britische Wissenschaftler Prof. Tony Booth von der Universität in Cambridge angekündigt, was das Odeon-Kino am frühen Abend fast aus den Nähten platzen ließ. Booth sah sich den Film zunächst mit dem Publikum zum ersten Mal an, bevor im Anschluss Prof. Platte und Tutorin Oerder das Filmgespräch eröffneten. Die gemeinsame Zeit im Kinosaal war etwas enger bemessen, da sich aufgrund des großen Besucherandrangs die Anfangszeit des Films merklich verschoben hatte. Trotzdem war im großen Saal des Odeons noch ausreichend Zeit, erste Kommentare und Anmerkungen der Gäste einzufangen.
Einige Zuschauer zeigten sich insbesondere darüber schockiert, dass David, einer der Protagonisten unter den Schülern, trotz seiner zahlreichen künstlerischen Fähigkeiten die Aufnahme an zwei Gymnasien verfehlte. Gerade für ein Kind sei solch eine „Ablehnung nur sehr schwer zu verkraften.“ Andere wiederum merkten an, dass „für David die Alternative der Montessori-Schule ein Segen ist, weil er dort all seine Fähigkeiten richtig ausleben kann“. Durch die Ablehnungen würde eher den Gymnasien etwas entgehen als dem talentierten Jungen, der aufgrund des Stickler-Syndroms unter Hör- und Sehproblemen zu leiden hat. Im Publikum befanden sich auch zahlreiche Lehrer, Pädagogen und Studenten aus dem Erziehungssektor, die unterstrichen, dass Hella Wenders’ Film auch unkommentiert sehr gut veranschaulichen konnte, dass die gemeinsame Erziehung von Behinderten und Nichtbehinderten für beide Seiten einen Gewinn darstellt.
Anschließend zog man gemeinsam ins Foyer des Odeon-Kinos um, wo sich auch Prof. Tony Booth zu den Kernpunkten des Films äußerte. Seiner Meinung nach ist „die beste Schule diejenige, die für alle da ist und der Gemeinde dient. Jedes Kind sollte eine Nachbarschaft haben, die es wertschätzen kann. Und jede Nachbarschaft sollte eine gute Schule haben. Das reicht schon aus.“ Insbesondere in Deutschland müsse man versuchen, von seinen exklusiven und elitären Schulideen wegzukommen. Gymnasien seien keinesfalls die beste Schulform. Dadurch, dass man behinderte Menschen von Kindesbeinen an separiert, ist es für nichtbehinderte Menschen schwierig geworden, den richtigen Umgang zu pflegen. Dabei sei das gar nicht so schwer, wie man in „Berg Fidel“ auch eindrucksvoll gezeigt bekommt. Allein durch den staatlich sanktionierten Ausschluss entstehen derartige Berührungsängste. Booth vermutet, dass es über kurz oder lang auch in Deutschland zu Veränderungen kommen wird. Denn „Kinder haben ein gesetzlich verankertes Anrecht darauf, nicht aus dem Schulsystem ausgeschlossen zu werden.“
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Prominente Drehorte
Der Verein Köln im Film zeigt in Köln gedrehte Spielfilme – Festival 05/24
Bezeugen, was verboten ist
NRW-Kinopremiere: „Green Border“ von Agnieszka Holland mit Vorgespräch
Von kinderlos zu kinderfrei
Sondervorführung „Me Time“ im Odeon Kino
„Ein Wechselbad der Gefühle“
Publikumsstimmen zur choices preview von „Alcarràs – Die letzte Ernte“ – Spezial 08/22
Berührender Hilferuf der Landwirtschaft
choices preview im Odeon-Kino: „Alcarràs – Die letzte Ernte“ – Spezial 08/22
Abrissbirne und Wiederaufbau
Filmprogramm zu Stadtplanung und Bürgerprotesten – Reihe 06/22
Faszination der Gewalt
„Of Fathers and Sons – Die Kinder des Kalifats“ im Odeon – Foyer 03/19
Interventionen im öffentlichen Raum
Eine Veranstaltungsreihe erinnert an Heinrich Pachl – Kino 02/19
Schleichende Ausrottung indigener Völker
„Piripkura“ feiert Deutschland-Premiere im Odeon – Foyer 12/18
Die nächsten Generationen
„Nachlass“ im Odeon – Foyer 10/18
Guru der ayurvedischen Medizin
„Der Doktor aus Indien“ im Odeon – Foyer 08/18
Den Absprung ermöglichen
„Therapie für Gangster“ im Odeon – Foyer 05/18
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24