Gegen Vorurteile kann man sich den Mund fusselig reden. Oder man kann gegen sie anzeichnen. Letzteres haben Tim Dinter, Jens Harder, Jim Avignon, Mawil, Barbara Yelinuvm. beherzigt. Für das Projekt „Bildkorrektur – Bilder gegen Bürgerängste“ haben sie sich zur Künstlergruppe „Die bunte Seite der Macht“ zusammengetan, um mit Fehlinformationen zum Thema Flüchtlingskrise aufzuräumen und Hintergründe zu beleuchten. Die Arbeiten findet man auf dem Blog bildkorrektur.tumblr.com, die Inhalte dürfen geteilt werden. Auch Hamed Eshratmacht bei Bildkorrektur mit. Der in Berlin lebende Zeichner hat bereits in Frankreich Comics veröffentlicht, „Venus Transit“ ist sein Debüt in Deutschland: Ben nervt sein IT-Job, mit seiner eigenen, freien Arbeit als Zeichner will es auch nicht so recht weitergehen und mit seiner Beziehung zu Julia geht es auch bergab. Bens Pessimismus erträgt sie nicht länger, sagt Julia. Und in der Tat: Ben steckt fest, und erst eine Reise führt ihn wieder zu sich. Eshrat beherrscht das Medium: Er zeichnet nicht nur lebendig, sondern auch die Story ist flüssig erzählt, so dass es den Leser von Seite zu Seite zieht. Dazu hat er ein gutes Gespür für Verknappung und allegorische Motive. Und mitunter nimmt er sich die Freiheit zu zeichnerischen Experimenten, die er ganz wunderbar in die berührende Geschichte einbettet (Avant Verlag). Noch ein Debüt: Lukas Kummerlegt mit „Die Verwerfung“ einen düsteren Brocken vor: Seine beinahe holzschnittartig gezeichnete Erzählung begleitet zwei Geschwister durch das Elend des Dreißigjährigen Kriegs. So grob die Zeichnungen, so grob die Geschichte in einer apokalyptisch anmutenden Welt, die neben der historischen Referenz gleichermaßen an „The Walking Dead“ oder aktuelle Kriegskonflikte erinnert. Unbarmherzig schildert Kummer das Leben der beiden Kinder und ihre brutale Umgebung, der sie sich zunehmend angleichen. Ein erstaunliches und ungewöhnliches Debüt (Zwerchfell).
Mit dem Hörspiel „Der Papagei von Batignolles“ haben der Comic-Meister Jacques Tardi und Michel Boujut in den späten 90er Jahren eine Art erwachsenen Tintin imaginiert, jetzt hat Stanislas daraus einen Comic gemacht: Der erste Teil „Der enigmatische Monsieur Schmutz“ erzählt von einem verworrenen Fall mit mehreren Morden, und zwischendrin Oscar, Tonmann beim Radio, und seine alleinerziehende Freundin mit pubertierender Tochter. Die hohen Erwartungen werden nur bedingt erfüllt. Einerseits ist die Story klassisch erzählt und gezeichnet, andererseits ist der normale Erwachsenenalltag mit allem, was bei Tintin fehlte, schon sehr reizvoll. Mal sehen, wie sich der Fall entwickelt (Carlsen).
Wiederentdeckt: Nach „Die sechs Reisen des Lone Sloane“ von 1970/71 erscheint mit „Lone Sloane – Delirius“ nun die Fortsetzung des außergewöhnlichen Science-Fiction-Klassikers, die Philippe Druillet 1972 nach einem Szenario von Jacques Lob gezeichnet hat. Dieses Mal steuert unser geheimnisvoller, düsterer Held den titelgebenden Vergnügungsplaneten an, der mit seinen aberwitzigen Figuren durchaus als Vorbild für etliche SF-Filme wie „Blade Runner“ gedient haben könnte. Druillets opulente Zeichenkunst steht hingegen vollkommen in der Tradition der Psychedelic der 70er Jahre – nur das hier rein gar nichts friedlich ist. Den dezenten Humor dieses galoppierenden Irrsinns hingegen könnte Moebius bei „John Difool“ im Hinterkopf gehabt haben. Ein morbider Weltraumspaß mit fantastischen, farbintensiven Bildern (Avant Verlag).
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