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Foto: Irma Flesch

Solide Bilanz mit Schönheitsfehlern

01. Dezember 2009

Dr. Norbert Walter-Borjans über den Kölner Haushalt, den Zwang zum Sparen und Bilanzen - Thema 12/09

choices: Herr Walter-Borjans, Ihr Entwurf für den Haushalt 2010 ist geprägt von sinkenden Einnahmen und drohenden Kürzungen?
Dr. Norbert Walter-Borjans:
Köln ist in der Wirtschaftskrise zwar robuster als viele andere Städte, aber auch unsere Einnahmen sind extrem eingebrochen. Darauf müssen wir reagieren. Dazu habe ich erst einmal vier Kategorien gebildet, um zu zeigen, wo Sparen überhaupt theoretisch geht. Es gibt Ausgaben, die gar nicht kürzbar sind wie die Zahlung von Bankzinsen. Zu anderen Zahlungen sind wir per Gesetz verpflichtet. Da können wir bestenfalls besser wirtschaften. Dann gibt es Pflichtaufgaben, die in Notzeiten wenigstens etwas gestreckt werden können wie der Straßenbau. Und schließlich gibt es die Aufgaben, zu denen uns zumindest niemand verpflichtet. Dafür hatten wir in einem ersten Rechenlauf Kürzungsbeträge errechnet, die nötig wären, um über die Runden zu kommen – zwischen null und dreißig Prozent. Kein Fachbereich war in dieser ersten Rechnung in der vollen Höhe betroffen. Aber alle werden einen Beitrag leisten müssen, sonst müssen es andere auffangen. Die seit längerem immer wiederholte Behauptung, der Kulturbereich solle um 30% gekürzt werden, ist jedenfalls schlicht falsch.

Das wird die Kulturlobby kaum zur Kenntnis nehmen.
Auch deshalb, weil ihr im Wahlkampf eine falsche Interpretation vorgelegt wurde und sie nun mal besser vernetzt ist als andere, die genauso viel Grund hätten zu klagen. Nach dem ersten Aufschlag haben übrigens alle Dezernate ihre Haushaltsansätze durchforstet. Im Ergebnis ist dabei nur ein Bruchteil der benötigten Einsparsumme herausgekommen.

Ist das nicht normal?
Es wird nicht helfen. Mir macht Sorge, dass die Reaktionen einem bestimmten Muster folgen. Zunächst tut man so, als ob der Kämmerer die finanzielle Lage dramatisiert und man seine Vorgaben nicht ernst nehmen muss. Dann stellt man fest, dass an der miesen Finanzlage doch etwas dran ist. Schließlich könnte man darauf kommen, sich hinter dem Regierungspräsidenten zu verstecken. Wenn der die Haushaltssicherung vorgibt, kann man seinen Zahlungsempfängern sagen, ich bin es nicht schuld. Das wird nicht funktionieren.

Zählt bei den öffentlichen Finanzen denn noch das Leitbild des ehrbaren Kaufmanns?
Für mich eindeutig ja. Das hat nichts damit zu tun, dass man ungern kürzt und auch Kredite braucht. Privat will niemand Schulden haben, obwohl es auch hier Fälle gibt, die jeder akzeptiert, etwa beim Hauskauf auf Kredit.

Das heißt für die Stadt?
Die Stadt Köln ist, was ihr Finanzvolumen betrifft, ein großes mittelständisches Unternehmen mit einem im Vergleich zu anderen beachtlichen Vermögen. Kreditaufnahmen sind für vermögende Unternehmen üblich und vollkommen seriös, wenn sie bestimmten Regeln folgen. Die sind im Haushalt der Stadt beachtet.

Trotzdem sieht der Deutsche Städtetag die Kommunalfinanzen schon im freien Fall.
Die Solidität der Finanzierung der Städte ist in der Tat schwer gefährdet. Das hat aber nichts mit dem ehrbaren Kaufmann zu tun. Das Problem ist struktureller Natur. Der Kölner Haushalt hat 2009 bei einem Volumen von 3,2 Mrd. nur gut 200 Mio. freie Mittel. Derzeit fehlt uns eine halbe Milliarde, um den Leistungen nachzukommen, zu denen wir verpflichtet sind. Da stimmt etwas nicht.

Gehen wir die städtische Bilanz einmal durch. Wie hoch ist der Anteil der „Altschulden“, wie steht es bei den Kassenkrediten?
Unsere langfristigen Kredite liegen bei 2,7 Mrd. Euro. Kassenkredite haben wir bis vor kurzem gar nicht gebraucht. Derzeit liegen sie bei rund 150 Mio. Ich kenne allerdings Städte in der Nachbarschaft, bei denen die Kredite zur Deckung der Liquiditätslücken über eine Milliarde reichen. Wir sind zwar schlecht dran, stehen aber im Verhältnis zu anderen noch relativ gut da.

In Städte-Rankings liegt Köln beim Thema Verschuldung trotzdem immer weit vorn.
Das wundert mich immer wieder. Die Rankings werden ja in der Regel von Leuten erstellt, die sich auch mit der Bewertung von Unternehmen beschäftigen. Ihnen ist offensichtlich entgangen, dass städtische Haushalte nicht mehr kameralistisch geführt werden. Nach diesem System konnte eine Stadt Teile ihres Vermögens verkaufen und als Einnahme verbuchen. Nicht berücksichtigt wurde, dass sie damit auf der Aktivseite Vermögen verlor. Die Bilanz wurde schön gerechnet. Mit dem Übergang zur kaufmännischen Buchführung stellt sich das anders da. Unsere Kölner Eröffnungsbilanz weist eine Bilanzsumme von 16 Mrd. aus, da erscheint eine Schuldensumme von 2,7 Mrd. in einem ganz anderen Licht. Andere Städte haben vielleicht weniger Schulden, aber auch dramatisch weniger Vermögen.

Trotz der Schulden steht Köln also noch positiv da?
Köln ist ein solides Unternehmen. So zahlen die stadteigenen Unternehmen direkt in den Haushalt ein, finanzieren nebenbei den öffentlichen Nahverkehr und zahlen noch Gewerbesteuer. Damit decken sie in der Summe mehr als die 140 Mio., die wir zu Zeit für Zinsen bezahlen.

Eine positive Bilanz sagt wenig über die Liquidität des Unternehmens aus. Ihr Chef, OB Jürgen Roters will sogar die pflichtigen Aufgaben der Stadt auf den Prüfstand stellen.
Das kann ich nur unterstreichen. Das strukturelle Finanzdefizit lässt sich nicht durch die Aufgabe aller freiwilligen Aufgaben lösen. Die effizientere und wirtschaftliche Gestaltung der Pflichtaufgaben ist dringend notwendig. Der größte Bereich ist hier der sozialpolitische, da ist ein sensibler Umgang gefordert.

Welche Bevölkerungsgruppe wird am meisten unter den anstehenden Einschränkungen leiden?
Es trifft alle, vielleicht nicht einmal so sehr die ganz Armen, weil wir eine gute gesetzliche Absicherung haben. Betroffen ist eher die gesellschaftliche Mitte, wenn Schulen und Straßen nicht renoviert würden und für die Kultur weniger Geld zur Verfügung stünde.

PETER HANEMANN/WOLFGANG HIPPE

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