Seit 22 Jahren bringt der Verein FilmInitiativ mit dem Afrikafilmfest „Jenseits von Europa“ afrikanische Filmkunst nach Köln. In diesem Jahr sind 83 Filme aus 27 afrikanischen Ländern zu sehen. choices sprach mit FilmInitiativ-Mitglied Karl Rössel.
choices: In den hiesigen Kinos sucht man afrikanische Filme mit ganz wenigen Ausnahmen vergeblich. Woran liegt das?
Karl Rössel: Afrikanisches Kino hat hierzulande keine Lobby. Auf den weltweit wahrgenommenen afrikanischen Filmfestivals trifft man kaum deutsche Festivalveranstalter, Filmverleiher oder Kinobetreiber. Das ist einer der Gründe für uns, ein auf Afrika spezialisiertes Festival zu organisieren und zu demonstrieren, wie variabel und reichhaltig das Filmschaffen trotz aller finanzieller und technischer Schwierigkeiten in vielen Ländern Afrikas ist.
Wie erfahren Sie von den neuesten Filmen, wie stoßen Sie auf Trends?
MitarbeiterInnen von FilmInitiativ besuchen seit Jahren nicht nur Filmfestivals in Afrika, sondern auch auf afrikanisches Kino spezialisierte Festivals in Europa. Außerdem arbeiten wir mit Filmschulen und Goethe-Instituten in Afrika zusammen, und viele afrikanische RegisseurInnen reichen inzwischen selbst ihre neuen Filme ein. Im Ergebnis hatten wir in diesem Jahr die Qual der Wahl aus 200-300 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen für das Festivalprogramm.
Welche aktuellen Tendenzen haben sich bei der Sichtung gezeigt?
Filmschaffende aus Afrika gehören seit jeher zu den ersten, die politisch und gesellschaftlich tabuisierte Themen aufgreifen. Dafür stehen bei diesem Festival z.B. Spielfilme über Gewalt gegen Frauen sowie Dokumentationen über politische Skandale wie das Massaker an streikenden Arbeitern in der südafrikanischen Minenstadt Marikana. Aktuelle Filme aus Nordafrika gehen der Frage nach, warum der Arabische Frühling einem „Arabischen Herbst“ gewichen ist. Produktionen von FilmstudentInnen aus dem Sudan, Ruanda, Madagaskar und Ghana demonstrieren, dass engagiertes Kino in Afrika weiterhin eine Zukunft hat.
In der Sektion „Queer Afrika“ widmet sich das Festival den Themen Homosexualität und Homophobie. Sind dies neue Themen in der dortigen Filmszene, und wie werden sie umgesetzt?
Als 1997 der Spielfilm „Dakan“ von Mohamed Camara aus Guinea beim Filmfestival in Ouagadougou vorgestellt wurde, in dem sich gleich zu Beginn zwei Männer in einem roten Sportwagen küssen, empfanden dies manche afrikanische FilmkritikerInnen als „kaum erträgliche Provokation“. Erst in jüngster Zeit sind deutlich mehr Filme über die Diskriminierung von Menschen mit lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intersexuellen Orientierungen in Afrika entstanden. Das liegt u.a. daran, dass sich die Verfolgung von Menschen, die nicht der heterosexuellen „Norm“ entsprechen, in vielen Ländern des afrikanischen Kontinents aufgrund von homophoben Kampagnen religiöser FanatikerInnen verschiedener Couleur weiter verschärft hat und Filmschaffende dagegen mit ihren Mitteln angehen. So können wir beim FestivalFilme gegen die Verfolgung von Homosexuellen aus Ländern wie Malawi, Südafrika, Kenia, Kamerun, Marokko und Tunesien präsentieren. Und RegisseurInnen und AktivistInnen aus verschiedenen Ländern sind eingeladen, um „afrikanische Initiativen gegen Homophobie“ vorzustellen.
Wie gestaltet sich die finanzielle Lage des Festivals?
Obwohl das Kölner Afrika Film Festival zu den bedeutendsten in Europa zählt, ist seine finanzielle Absicherung nach wie vor prekär und provinziell. Die dreijährige Strukturförderung der Stadt soll für die Jahre 2015 bis 2017 wieder um 5000 Euro gekürzt werden. Die Staatskanzlei des Landes NRW hat ihre Förderung von 2012 bis 2014 um 40 Prozent vermindert. Das NRW Kulturministerium wie die Film- und Medienstiftung NRW haben in diesem Jahr jegliche Unterstützung mit dem befremdlichen Argument verweigert, sie könnten keine „länderspezifischen Festivals“ fördern, als bestehe Afrika nicht aus mehr als 50 Ländern und als kämen die Festivalfilme nicht aus aller Welt. Auch auf Bundesebene fällt die Förderung im Vergleich zum letzten Jahr um ein Drittel geringer aus. Eine Aufstockung ist beantragt. Wenn das Afrika Film Festival eine Zukunft haben soll, dann braucht es sichere mehrjährige Finanzierungszusagen ab 2015 von Stadt, Land und Bund.
„Jenseits von Europa XIII – Neue Filme aus Afrika“ | 18.9.-28.9. | Filmforum Köln | www.filme-aus-afrika.de
choices verleiht den mit 1.000 Euro dotierten Publikumspreis für den besten Spielfilm.
Das Programm:
Do. 18.9.:
18:30: Festivaleröffnung (Filmforum, mit internationalen Gästen und Live-Musik der Steven Ouma-Band)
20:30: Legends of Madagascar (Filmforum, OmeU, mit Regisseur Haminiaina Ratovoarivony)
Fr. 19.9.:
16:00: African Shorts I (Filmforum, OmeU)
18:00: Sand Fishers (Filmforum, OmeU, mit Regisseur Andrey S. Diarra)
20:00: The Thorn of the Rose (Filmforum, OmeU, mit Regisseur Filipe Henriques)
22:00: They Are The Dogs (Filmforum, OmeU)
Sa. 20.9.:
14:00: African Shorts II (Filmforum, OmeU)
16:00: African Metropolis (Filmforum, OmeU)
18:00: Queer Africa I (Filmforum, OmeU, mit Regisseurin Zanele Muholi)
20:00: Salvation Army (Filmforum, OmeU, mit Regisseur Abdellah Taïa)
22:00: Rags and Tatters (Filmforum, OmeU)
So. 21.9.:
11:00: Kiriku und die wilden Tiere (Filmforum)
15:00: Queer Africa II (Filmforum, OmeU)
17:00: Queer Africa III (Filmforum, OmeU)
20:00: Soleils (Filmforum, OmU, mit Regisseur Dani Kouyaté)
Mo. 22.9.:
19:00: Focus Madagaskar (Filmhaus, OmeU)
21:00: Yema (Filmhaus, OmeU)
Di. 23.9.:
21:30: The Great Kilapy (Filmhaus, OmeU)
Mi. 24.9.:
18:00: The Forgotten Kingdom (Filmforum, OmeU)
20:00: Diary From the Revolution (Filmforum, OmeU, mit Regisseur Nizam Najjar)
22:00: Les enfants de Troumaron (Filmforum, OmeU)
Do. 25.9.:
18:00: The Proof (Filmforum, OmeU)
20:00: Miners Shot Down (Filmforum, OmU, mit Beheki Ernest Buthelezi und Produzentin Zivia Desai Keiper)
22:00: Horses of God (Filmforum, OmeU)
Fr. 26.9.:
16:00: Little One (Filmforum, OmeU)
18:00: Rwagasore - Vie, combat, espoir (Filmforum, OmeU, mit Ludo de Witte)
20:00: Ninah's Dowry (Filmforum, OmeU, mit Produzentin Balkisu Issa Bello und Regisseur Victor Viyuoh)
22:00: Nishan - Medal of Honor (Filmforum, OmeU)
Sa. 27.9.:
14:00: L'opéra du bout du monde (Filmforum, OmeU)
16:00: Fokus Tunesien (Filmforum, OmeU)
18:00: Cursed Be The Phosphate (Filmforum, OmeU, mit Regisseur Sami Tlili)
20:00: Something Necessary (Filmforum, OmeU, mit Regisseurin Judy Kibinge)
22:00: African Shorts III (Filmforum, OmeU)
So. 28.9.:
14:00: African Shorts IV (Filmforum, OmeU)
16:00: Frauen in der Arbeitswelt Nordafrikas (Filmforum, OmeU, mit Diskussion und Gästen)
18:00: Fokus Ghana (Filmforum, OmeU)
20:15: Preisverleihung (Filmforum)
20:30: Grisgris (Filmforum, OmeU)
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