Angefangen hat alles ganz harmlos, erzählt die Kulturmanagerin Mechtild Tellmann. Warum tauschen wir nicht mal unsre Tanzproduktionen aus, fragte sie ihre Berliner Partner. Bald darauf war das Projekt „tanz.tausch“ geboren, das jetzt in Köln in der Alten Feuerwache in seine zweite Runde geht. Tauschen hat Konjunktur – und mit „Konjunktur“ ist auch der wirtschaftliche Aspekt des Tauschens eingeführt. Tausch in seiner ursprünglichen Form – Gegenstand gegen Gegenstand – ist in Zeiten wie diesen wieder zu einer gesellschaftlichen Realität geworden ist. Inzwischen finden Tauschgeschäfte nicht nur mit Gegenständen, sondern auch mit Dienstleistungen und ideellen Werten, etwa Babysitting, statt. Werthaltig ist dieser Vorgang jedenfalls immer, auch wenn es hier um den Tausch im engen Sinne geht.
Auch die Soziologie hat sich inzwischen dieser Thematik angenommen und alte Austauschtheorien belebt oder neue entwickelt. Dass auch mit Kulturgütern, hier den Tanzproduktionen der freien Tanzszene, Tauschgeschäfte gemacht werden, ist bedenkenswert für den Zustand und für den Wert und die Wertschätzung der Tanzkultur im Lande und – im nächsten Schritt – für die Wertschätzung der Tanzschaffenden selbst. Not macht erfinderisch. Natürlich ist auch die Vorstellung iTMOi – (IN THE MIND OF IGOR) des renommierten Choreografen Akram Khan Anfang Dezember im Depot 1 der Bühnen Köln ein Tauschgeschäft: Geld gegen Aufführung. Wer den Preis zahlen kann, erhält im Tausch dafür die Aufführung, hier die Bühnen Köln. Und natürlich lässt sich der Faden fortspinnen, denn die Bühnen machen mit den zahlenden Zuschauern ebenfalls unzählige kleine Tauschgeschäfte.
Einen etwas anderen Ansatz verfolgen allerdings Mechtild Tellmann und Alexandra Schmidt, beide erfahrene Kulturmanagerinnen. Beide haben sich zusammen getan, eine GbR – Gesellschaft bürgerlichen Rechts – gegründet, um neuen Schwung in festgefahrene Vermarktungsformen für den Tanz der freien Tanzszene zu bringen. Dazu setzen sie gar auf Fundraising, um private Gelder zur Unterstützung der Kunstform Tanz einzuwerben. Seit Jahren wird allenthalben über den Wahnsinn lamentiert, dass der freien Tanzszene zwar Produktionsförderung gewährt wird, aber kaum ein Euro für die Vermarktung. Der werbewirksame und einprägsame Begriff des tanz.tausch trifft das Phänomen mangelnder Unterstützung also ziemlich genau. Während Andere von Zuwendungen der Kulturstiftung des Bundes profitieren, erhält tanz.tausch keine Mittel, obgleich mit der Kooperation von Köln mit Berlin, Leipzig, München und demnächst auch Baden-Württemberg ein bundesweites Partnernetz aufgebaut wurde, um Tanz zu „tauschen“.
Gerade für den choreografischen Nachwuchs ist der regionale Austausch immens wichtig, um seine Position im Genre Tanz bestimmen zu können, um Kontakte zu knüpfen oder Kooperationen aufzubauen. Mit Reut Shemesh und Ursula Nill werden deshalb zwei junge Choreografinnen koproduziert, die mit ihren ersten Tanzstücken bereits überzeugen konnten. Von diesem Tauschhandel profitieren also alle: die Künstlerinnen, die Veranstalter, selbst die Kulturverwaltung und nicht zuletzt die Zuschauer.
Programm tanz.tausch vom 05. bis 08.12.2013: www.tanztausch.de
Gastspiel Akram Khan am 04. und 05.12.2013: www.schauspielkoeln.de
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