choices: Herr Breite, wie hoch ist das strukturelle Defizit der Stadt aus Ihrer Sicht?
Ulrich Breite: Nach Angaben der Kämmerin wäre innerhalb von zehn Jahren ein ausgeglichener Haushalt erreichbar, wenn ein strukturelles Defizit von rund 400 Millionen Euro abgebaut werden würde.
Die wichtigsten Ursachen dafür?
Köln hat ein massives Ausgabenproblem. Denn an den Einnahmen der Stadt Köln kann es jedenfalls nicht liegen: Noch nie war die Einnahmensituation der Stadt Köln so gut wie heute. Nach Planung der Kämmerin erhöhen sich die Einnahmen im Jahr 2012 im Vergleich zu 2010 um 390 Mio. Euro (!) und bis 2015 sogar um 590 Mio. Euro. Dennoch macht die Stadt Schulden, bis 2015 jedes Jahr zusätzlich zwischen 200 und 300 Millionen Euro. Die Stadt bürdet sich immer neue Aufgaben auf, es fehlt die Kraft zur Aufgabenkritik und Aufgabenreduzierung. Faktisch droht eine Haushaltssicherung nach § 76 Gemeindeordnung NRW.
Wo sollte dann aus Ihrer Sicht im städtischen Haushalt gekürzt werden?
Bei dem aktuellen Haushaltsdefizit helfen einzelne Kürzungsmaßnahmen nicht mehr. Der Rat dürfte erstens keine neuen Aufgaben mehr beschließen. Zweitens müssten alle Aufgaben hinterfragt und nach der Effizienz der Aufgabenerledigung gefragt werden. Nur mit einer kritischen Überprüfung aller Aufgaben der Stadt Köln kann mittelfristig ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden.
Kann das Defizit durch Sparen allein abgebaut werden?
Die rot-grüne Ratsmehrheit hat in den letzten Jahren die Gebührenschraube und die Steuerschraube stark angezogen – Beispiele: die Bettensteuer oder die Erhöhung der Grundsteuer und der Gewerbesteuer. Die Erhöhungen haben aber das Defizit nicht abgebaut, weil bei der Ratsmehrheit keine Spardisziplin herrscht. Aber sicher ist auch: Die Stadt Köln kann ihr strukturelles Defizit nicht allein bewältigen. Bund und Land haben zu viele Aufgaben ohne entsprechende finanzielle Ausstattung auf die Kommunen übertragen. Die Bundesregierung hat das erkannt. Deshalb übernimmt der Bund bis 2014 schrittweise vollumfänglich die Kosten der Kommunen für die Grundsicherung im Alter. Das bedeutet für Köln eine Haushaltsentlastung von über 156 Millionen Euro. Bedauerlicherweise hat Rot-Grün diese Entlastung nicht zur Haushaltskonsolidierung, sondern ausschließlich zur Ausgabensteigerung genutzt. Eine finanzpolitische Todsünde auf Kosten zukünftiger Generationen.
Welche strukturellen Reformen schlagen Sie vor?
Es muss in Köln zur Pflicht werden, die mit finanziellen Entlastungen durch Bund und Land einhergehenden eingesparten Gelder zur Haushaltskonsolidierung zu nutzen. Zudem ist eine Analyse der städtischen Unternehmensbeteiligungen notwendig. Köln leistet sich als reiche Stadt sehr viele Unternehmensbeteiligungen, die mit der allgemeinen Daseinsvorsorge wenig zu tun haben. Hier können Verkäufe zur Schuldentilgung sinnvoll sein. Nur mit einer Aufgabenkritik und -reduzierung ohne Tabus wird die Stadt ihr massives Ausgabenproblem in den Griff bekommen.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Alle Bereiche müssen sparen“
Thor Zimmermann von der Wählergruppe DEINE FREUNDE - Thema 07/12 Stadtkasse
„Optimierung des Verwaltungsablaufs wäre sinnvoll“
Karl-Jürgen Klipper (CDU) - Thema 07/12 Stadtkasse
„Bund und Land übertragen den Städten seit Jahren immer mehr Aufgaben“
Jörg Frank (Bündnis 90/Die Grünen) - Thema 07/12 Stadtkasse
Norbert Bude (Städtetag NRW)
Auszug aus dem Gemeindefinanzbericht 2012 des Städtetages NRW - Thema 07/12 Stadtkasse
„Möglichkeiten für Kürzungen wurden mehr als ausgereizt“
Jörg Detjen (Die Linke) - Thema 07/12 Stadtkasse
„Schulden werden sich 10 Jahren verdoppeln“
Klaus Hoffmann (Freie Wähler Köln) - Thema 07/12 Stadtkasse
Deine Stadt muss „sparen“
Von vielem zu viel, von manchem zu wenig - THEMA 07/12 STADTKASSE
„Bund und Land stellen keine ausreichenden Ausgleichsmittel zur Verfügung“
Martin Börschel (SPD) - Thema 07/12 Stadtkasse
„Viele Spiele haben noch einen sehr infantilen Touch“
Teil 1: Interview – Medienpädagoge Martin Geisler über Wandel in der Videospiel-Kultur
„Genießen der Ungewissheit“
Teil 2: Interview – Sportpädagoge Christian Gaum über das emotionale Erleben von Sportevents
„Ich muss keine Konsequenzen fürchten“
Teil 3: Interview – Spieleautor und Kulturpädagoge Marco Teubner über den Wert des Spielens
„Die Bürger vor globalen Bedrohungen schützen“
Teil 1: Interview – Politikwissenschaftler Oliver Treib über Aufgaben und Zukunft der Europäischen Union
„Mosaik der Perspektiven“
Teil 2: Interview – Miriam Bruns, Leiterin des Goethe-Instituts Budapest, über europäische Kultur
„Der Verkauf des Kaffees nach Europa ist gestoppt“
Teil 3: Interview – Sebastian Brandis, Sprecher der Stiftung Menschen für Menschen, über das EU-Lieferkettengesetz
„Tiefseebergbau ohne Regularien wäre ganz schlimm“
Teil 1: Interview – Meeresforscher Pedro Martinez Arbizu über ökologische Risiken des Tiefseebergbaus
„Wir müssen mit Fakten arbeiten“
Teil 2: Interview – Meeresbiologin Julia Schnetzer über Klimawandel und Wissensvermittlung
„Entweder flüchten oder sich anpassen“
Teil 3: Interview – Klimaphysiker Thomas Frölicher über ozeanisches Leben im Klimawandel
„Es liegt nicht am Gesetz, Kriminalität zu verhindern“
Teil 1: Interview – Kriminologe Dirk Baier über Gewaltkriminalität und Statistik
„Prüfen, ob das dem Menschen guttut“
Teil 2: Interview – Publizist Tanjev Schultz über ethische Aspekte der Berichterstattung über Kriminalfälle
„Eltern haben das Gefühl, sie müssten Buddhas werden“
Teil 3: Interview – Familienberaterin Nina Trepp über das Vermeiden von psychischer Gewalt in der Erziehung
„Ernährungsweisen verändern, ohne Zwang“
Teil 1: Interview – Tierethikerin Friederike Schmitz über vegane Ernährung
„Naturschutz wirkt“
Teil 2: Interview – Biologin Katrin Böhning-Gaese über Biodiversität, Wildtiere und Naturschutz
„Sie verstehen uns“
Teil 3: Interview – Tierhistorikerin Mieke Roscher über die Beziehung zwischen Menschen und Tieren
„Was nicht erlaubt ist: Druck ausüben“
Teil 1: Interview – Autor Sebastian Schoepp über Freundschaften
„Bin ich eifersüchtig oder eher neidisch?“
Teil 2: Interview – Paarberaterin Sonja Jüngling über sexuelle Kontakte außerhalb einer Paarbeziehung