Sonntag, 28. Juni: Christian Petzolds („Phoenix“, „Transit“) neuer Film „Undine“ hatte zwar gerade noch rechtzeitig im Februar seine Welturaufführung bei der Berlinale feiern können, der für Ende März geplante bundesweite Kinostart fiel dann allerdings dem Lockdown aufgrund des Corona-Virus zum Opfer. Da im Juni in Nordrhein-Westfalen erste Lockerungen im Kinobetrieb möglich wurden, sind nun auch wieder Premieren und Vorstellungen mit Gästen in den Lichtspielhäusern durchführbar geworden. Christian Petzold nutzte diesen Umstand, um den nun auf den 2. Juli festgesetzten bundesweiten Kinostart von „Undine“ in großem Stil mit einer persönlichen Kinotour zu begleiten. Allein am Sonntag beehrte er nacheinander vier Vorstellungen in drei verschiedenen Kinos in den Städten Bonn und Köln mit seiner Anwesenheit. „Nach dieser langen Corona-Pause macht es ziemlich Spaß, vor Menschen zu sprechen und unter Menschen zu sein“, sagte der Regisseur vor der Vorführung seines Films im Odeon-Kino. Aufgrund seines engen Terminplans an jenem Tag war es dem Publikum – anders als den Gästen bei den Präsentationen im Weisshaus-Kino – hier zwar nicht vergönnt, Petzold im Anschluss noch Fragen zu stellen. Dafür plauderte der gut aufgelegte Filmemacher aber im Vorfeld zusammen mit Kinoleiter Jürgen Lütz ein wenig aus dem Nähkästchen.
Auch Lütz zeigte sich froh, dass mit „Undine“ nun seit der Wiedereröffnung der Kinos endlich wieder ein „vernünftiger Neustart“ ansteht, denn viele Verleiher zeigen sich nach wie vor zurückhaltend und haben die Starttermine ihrer vermeintlichen Blockbuster weiter hinausgeschoben. Dass mit Petzolds Film nun einer der vielversprechendsten deutschen Filme des Jahres nach vorne prescht, kann innerhalb der Branche durchaus als positives Signal gewertet werden. Petzold erläuterte beim Filmgespräch im Severinsviertel, dass er die Idee zu „Undine“ gegen Ende der Dreharbeiten seines zuvor entstandenen Films „Transit“ bekommen habe. Auch der entstand damals mit Franz Rogowski und Paula Beer in den Hauptrollen, und da die Chemie zwischen den dreien so gut war, setzte am Ende des Drehs eine melancholische Phase ein. „Die beiden sind in ‚Transit‘ fantastisch miteinander umgegangen, und ich habe zwischen den beiden eine Geschichte sich entwickeln sehen, die mich als Regisseur gar nicht mehr gebraucht hat. Das wollte ich in ‚Undine‘ weiterführen“, so der Regisseur. Eine größere Herausforderung bei der Realisierung des Films, der auch viele Unter-Wasser-Szenen enthält, stellte dann aber doch die Besetzung Franz Rogowskis als Taucher dar. Der Schauspieler hat eine Lippenspalte und eine fehlerhafte Verbindung zwischen einem Ohr und dem Mundraum, weswegen er sein ganzes Leben lang nicht unter Wasser durfte, erläuterte Petzold. Nachdem ein Arzt das Okay gegeben hatte, dass er bis zu fünf Meter tief tauchen kann, absolvierte Rogowski dann extra für den Film einen Tauchkurs.
„Als ich ihm beim Training zum ersten Mal zusah, schaute ich auf einen Mann, der sich in einem Anfall von Glück bewegte, weil er ein Element entdeckt hatte, das er bislang noch nicht gekannt hatte“, führte der Regisseur weiter aus. „Undine“ wurde seit seiner Uraufführung von vielen auch als Berlin-Film klassifiziert, was den Filmemacher zu einem Vergleich mit Köln bewegte. Petzold erzählte: „Ich bin hier in der Nähe aufgewachsen, und Köln war immer mein Kulturzentrum. Ich habe immer das Gefühl, dass die Leute, die aus Köln kommen, ihre Stadt von Geburt an lieben. Aber Berlin ist keine Stadt, die man von Geburt an liebt, die muss man sich erarbeiten. Die Stadt ist eigentlich grauenhaft, die Leute dort sind unfreundlich. Erst, wenn man Arbeit in Berlin investiert, dann bekommt man dafür auch etwas zurück.“ Mit dieser Metapher im Hinterkopf verfasste Petzold, der als einer der bekanntesten Vertreter der Berliner Schule gilt, mit „Undine“ eine mystische Geschichte, die nicht nur auf die bekannte Figur des Wassergeistes aus der Romantik Bezug nimmt, sondern auch den Privatisierungswahn thematisiert, der seit Jahren in der Hauptstadt um sich greift und ganzen Ecken von Berlin das pulsierende Leben genommen hat. Diesen berührenden und ungewöhnlichen Film kann nun jeder für sich entdecken – im Kino, wo er hingehört.
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