Auch im Jahr drei seit Corona ist die Kinolandschaft nicht wieder diejenige von vor 2020. Wahrscheinlich wird sie auch nie wieder so werden. Und vielleicht ist das gar nicht so schlimm. Nach den Lockdowns hofften alle auf das neue Jahr. Doch dann kam erst der russische Angriffskrieg auf die Ukraine mit seinen auch hierzulande spürbaren finanziellen Folgen und dann auch noch ein Hitze-Sommer. Der Optimismus war für Herbst und Winter entsprechend gedämpft. Doch das Publikum kam zurück. Nicht ganz wie vor 2020, aber das Kinojahr 2022 hatte auch ein paar richtige Publikumshits. Neben den üblichen Blockbustern haben sich auch Arthausfilme in den Charts wiedergefunden. „Licorice Pizza“ oder „Spencer“ haben zum Jahresbeginn unter erschwerten Bedingungen immerhin gut 150.000 Tickets verkauft, zuletzt haben Filme wie „Everything, Everywhere all at Once“ (über 200.000 Tickets) oder Ruben Östlunds „Triangle of Sadness“ (über 300.000 Tickets) die Kinos zuverlässig gefüllt.
Viele andere Filme, die wir Ihnen in choices vorstellten, haben trotz ihrer Qualität jedoch deutlich kleinere Publikumszahlen. Gut ein Viertel der Tickets gingen an deutsche Produktionen, vor allem an Kinder- und Jugendfilme sowie Komödien. Fatih Akins Biopic „Rheingold“ über den Rapper Xatar kratzt inzwischen an der Millionenmarke. Schon zum Jahresbeginn hatte „Wunderschön“ von und mit Karoline Herfurth mit über 1,6 Millionen Zuschauenden eine Marke gesetzt. Gerade ist mit „Einfach mal was Schönes“ gleich noch eine tolle Tragikomödie von und mit ihr angelaufen, die auf die 300.000er-Marke zugeht. Ist die erhöhte Film-Frequenz eine Tendenz oder noch Folge des Filmstaus durch Corona? Sönke Wortmann hatte dieses Jahr auch gleich zwei Filme am Start.
Es geht also! Trotz Corona, trotz Krieg, trotz Klimakrise. Vielmehr brauchen wir gerade wegen der Krisen Geschichten auf großer Leinwand – um sie zu verstehen, sie zu verarbeiten und ihnen zu entfliehen. Die alten Herausforderungen für die Kinos – die große Freizeitkonkurrenz und nicht zuletzt die Streaminganbieter – sind indes noch dieselben wie vor 2020. Zumindest Streams gehören nach Corona mehr denn je zum Feind. Immerhin produzieren zunehmend gestandene Kinoregisseur:innen für Streamingplattformen, auch deutsche Filmemacher:innen. Das bietet mit internationaler Reichweite auch ungeahnte Möglichkeiten. Maria Schrader ist über ihre Netflix-Serie „Unorthodox“ gar nach Hollywood gekommen.
Unser Film des Monats, ihr US-Debüt „She said“ über #metoo und Harvey Weinstein, ist im Dezember im Kino – und nur im Kino – gestartet. Und auch Noah Baumbachs zweiter Film für Netflix nach „Marriage Story“, seine Don DeLillo-Verfilmung „Weisses Rauschen“, ist im Dezember vorab im Kino angelaufen. Die Verbindungen gehen in beide Richtungen, und auch die Vorteile findet man auf beiden Seiten. Vielleicht hätten die Filme sonst gar keine Finanzierungschance. Wie genau das Miteinander in Zukunft aussehen könnte, werden die kommenden Jahre zeigen. Ob TV, Video oder Stream – bislang hat das Kino als kultureller Ort jede Krise überlebt. Es muss nur flexibel bleiben.
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