„Die Zeit verrinnt. Die Spinne spinnt / In heimlichen Geweben. / Wenn heute nacht ein Jahr beginnt, / Beginnt ein neues Leben.“ So schön beschreibt der Schriftsteller Joachim Ringelnatz in seinem Gedicht „Silvester“ (1928) den Jahreswechsel. Dass der Anfang des Gregorianischen Kalenders eine große Veränderung mit sich bringen soll, gehört ohne Frage ins Reich der Mythen. Schließlich beginnt das neue Jahr in aller Regel so, wie das alte geendet ist. Auch gute Wünsche wollen sich oft nicht bewahrheiten – und gute Vorsätze können im Alltag schnell vergessen werden. Trotzdem gibt es eine Zäsur in den Köpfen der Menschen, weil sie eben so empfunden wird.
Grund genug also, hier ein paar im Januar laufende Filme aufzuzählen, deren Protagonist:innen mutig neue Wege gehen. Dazu gehört „Joan Baez, I am a Noise“, ein unkonventionelles Biopic über die Sängerin und Aktivistin, die schon mit Martin Luther King marschierte und die sich seit über 60 Jahren mit ihren Songs für eine bessere Welt einsetzt. In seinem Regiedebüt „Sterne zum Dessert“ erzählt Sébastien Tulard die wahre, unglaubliche Geschichte von Yazid Ichemrahen, der sich als benachteiligter, migrantischer Jugendlicher den Weg durch verschiedene Küchen Frankreichs rührt, flambiert, püriert – und 2014 im Alter von nur 23 Jahren die Weltmeisterschaft der Konditoren gewinnt. Von Sex und Selbstbestimmung handelt der neue Film von Yorgos Lanthimos: Unser Film des Monats, „Poor Things“, ist seine feministische Umdeutung des bekannten Frankenstein-Motivs. Darin schickt er die von einem Arzt (genial gespielt von Willem Dafoe) erschaffene Bella Baxter (Emma Stone) auf sexuelle Entdeckungstour durch ganz Europa. Ebenfalls von der Reise einer Frau – wenn hier auch im übertragenen Sinn – erzählt die Dokumentation „Becoming Giulia“. Im Fokus des Films steht die Primaballerina Giulia Tonelli, die ihre Leidenschaft fürs Tanzen auch nach der Geburt ihres Kindes nicht aufgibt und nach elf Monaten im Mutterschaftsurlaub den Weg zurück auf die Bühne wagt.
Besonders gespannt bin ich persönlich auf die Neuverfilmung von „Die Farbe Lila“. Alice Walkers Roman wurde bereits 1984 von Steven Spielberg mit Whoopi Goldberg in der Hauptrolle verfilmt. Oprah Winfrey gab damals ihr Filmdebüt. Nun kommt die Story als opulentes Frauenpower-Musical ins Kino, produziert von Spielberg, Winfrey und Quincy Jones.
Welche Filme es sonst noch im Januar zu sehen gibt, erfahren Sie ausführlicher auf den nächsten Seiten. Ich wünsche Ihnen viel Freude im Kino!
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24
Ernster Mai
Der Frühling schwemmt viele Dokumentarfilme ins Kino – Vorspann 05/24
Show halt
Die Sache mit dem Oscar – Vorspann 04/24
Schöne Aussichten im Kino
Der Festivalauftakt in Berlin verspricht ein gutes Filmjahr – Vorspann 03/24
Krieg auf der Leinwand
Wenn Film über die Front erzählt – Vorspann 02/24
Filmpolitik im Umbruch
Hoffnung auf Neuregelung und Sorge vor Sparzwang – Vorspann 12/23
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24