Wir müssen mal über Kinder reden. Weil auch sie die Leinwand beleben. Allmonatlich eröffnen Märchen und Abenteuer jungen Zuschauern die unendlichen Weiten des Kinos. Kinderfilme, die wir online ausführlicher begleiten und in denen sich die Stöpsel mit Staunen, Schrei und Gebrubbel so inniglich verlieren, wie es kein Erwachsener vermag. Die Kindheit ist das Einfallstor ins Kino, wer sich jung dorthin verliert, bleibt dem Kino oft ein Leben lang verbunden.
Fernab derlei aktueller Starts von „Hui Buh“ bis zur „Legende vom Tigernest“, nimmt aber auch das Arthousekino gern mal die Perspektive und Lebenswirklichkeit junger Menschen ein. Nicht nur, um ihre Alltagswelt zu spiegeln, sondern auch, um älteren Besuchern den Spiegel vorzuhalten. Aus Kinderaugen und damit aus einer Sicht heraus, die das Verhalten der vermeintlichen Vorbilder häufig nicht einzuordnen vermag. Zuletzt gelang dies schrecklich wundervoll mit dem Drama „Nachbarn“, in dem ein Junge aus einem syrischen Dorf den Beginn der Assad-Diktatur erlebt, viel zu früh aus seiner heilen Welt gerissen wird – und sie sich zugleich ein Stück bewahrt. Hans-Christian Schmidt widmet sich in diesem Monat der Entführung von Jan Philipp Reemtsma aus der Sicht seines dreizehnjährigen Sohnes Johann, der zum ersten Mal in seinem Leben lernt, was Angst ist. Inwiefern junge Menschen ihren Eltern Halt sein können, davon erzählt „Mein Hass bekommt ihr nicht“, in dem ein kleines Kind seine Mutter bei den Terroranschlägen in Paris 2015 verliert – und der Vater sich, auch dem Sohn zuliebe, dem Hass verwehrt.
Wenn wir über Kinder reden, müssen wir aber natürlich auch davon sprechen, wie schräg oder gar grausam sie mitunter ticken. Wie moralisch ungefiltert sie handeln. Und wie daraus das Genrekino oft gelungen Kapital schlägt: Frühere phantastische Filme wie „Das Dorf der Verdammten“ oder „Ein Kind zu töten“ bilden eine Linie hin zu jüngsten verstörenden Werken wie „Ich seh Ich seh“ und „The Innocents“, in denen phantastischer Überbau oder psychotischer Konflikt mit kindlichem Unschuldsgehabe effektiv kollidieren. Was ist gruseliger als ein abgründig handelndes Kind?
Nun, zum Beispiel minderjährige Sidekicks. Womit wir wieder im Mainstream sind. Es gab mal eine Zeit, da verzichteten Action- und Sternenkriegerfilme auf neunmalkluge Minimitläufer. Nachhaltig in Erinnerung: Shorty, der nerventötenden Bengel aus „Indiana Jones und der Tempel des Todes“, der den Film schlichtweg ruinierte. Warum inzwischen selbst ein 007 eine Göre am Bein hat und auf den Streaming-Plattformen jedem Kopfgeldjäger Baby-Yodas und Little Leias anheimgestellt werden – das wissen vermutlich nur die Marketingverantwortlichen mit Blick auf die Zielgruppenerschließung. Also Obacht: Kinder brauchen Grenzen – nicht nur im realen Leben. Unter den Filmemachern, die das verstanden haben, sei hier mal Quentin Tarantino genannt: kinderfreie Zone! Und so sehr wir die Stöpsel lieben – so etwas braucht es nun mal auch auf der Leinwand.
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