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Wenn die Wife Wifi hat

25. Juli 2022

Von unserer Beziehung zu Maschinen und Bildschirmen – Teil 1: Leitartikel

Auch, wenn die folgende Szene, sie stammt aus einem japanischen Werbespot, zunächst gewöhnlich wirkt, bleiben Sie dran, es wird ungewöhnlich. Wir sehen diesen jungen Mann, wie er sich nach einem anstrengenden Arbeitstag voller Meetings durch Regen und ÖPNV nach Hause müht. Im Bus textet er in sein Smartphone: „Ich bin gleich zu Hause.“ Antwort: „Ich freue mich schon.“ Vor seinem Haus hält er kurz inne, schaut zu seiner Wohnung hoch, es brennt Licht. Später liegt der Mann im Bett und sagt: „Weiß du, es ist ein großartiges Gefühl, dass da jemand ist, der zu Hause auf mich wartet.“

Soweit ein gewöhnlicher kleiner Einblick in eine glückliche Beziehung, oder? Wäre da nicht die Tatsache, dass die Dame, die den jungen Herrn glücklich macht, ein Hologramm ist. Eine etwa 30 Zentimeter große 3D-Darstellung eines blauhaarigen Mädchens im Anime-Stil in einer Art ovalem Goldfischglas. Sie heißt Azuma Hikari. Die Firma Gatebox stellt diese virtuelle Ehefrauen, pardon, Assistenten her. Ja, Hikari kann dich wecken, sie ist Schnittstelle deines Smart-Homes und stellt die Kaffeemaschine so an, dass frisches Gebrüh passend zum Frühstück fertig ist. Aber sie weckt dich eben mit sanften, lieben Worten, wünscht dir viel Spaß auf der Arbeit und sagt dir, dass sie sich auf dich freut. Neben Hikari stehen auch andere Charaktere zur Auswahl, darunter wenige Tiere, Fantasiewesen, Männer und viele Frauen, auch im Bikini oder in schwarzen Overknee-Stiefeln.

Fantasiewesen als Partner

„Support whole your life“ – das sollen die virtuellen Charaktere leisten. Sie sind nicht bloß eine Mensch-Computer-Schnittstelle. Sie begleiten dich durch dein Leben und unterstützen dich. Wie ein (Ehe-)Partner. Doch träumt der Mensch, seit er Maschinen baut, denn nicht davon, dass diese menschlich werden? Die Puppe Olimpia in E. T. A. Hoffmanns „Der Sandmann“, der Androide Data in „Star Trek“, Siri und Alexa in Millionen real existierenden Haushalten – sie alle zeigen uns, dass der Mensch seine Computer gerne nach seinem Ebenbild schafft. Ist es das – oder verkauft Gatebox ein Produkt für eine einsame Gesellschaft?

Fast ein Viertel aller Japaner wird sein Leben lang alleinstehend bleiben, prognostizieren Soziologen. Im Internet verbreitet ist der Begriff „Waifu“ für eine attraktive weibliche Figur aus einem Anime oder Computerspiel, abgeleitet vom jap.ワイフ ‚waifu‘, was wiederum von engl. ‚wife‘, Ehefrau, kommt. Die Figuren haben sich also von reinen Sexobjekten zu Gattenmaterial entwickelt. Eine Verbesserung im emanzipatorischen Sinne? Wohl eher ein Symptom der Vereinsamung – oder auch der Unselbständigkeit – der Männer.

Checken statt sprechen

Auch in der westlichen Welt steigt die Zahl der Unverheirateten. Zwar sind die nicht unbedingt auch allein, doch zumindest die Partnersuche läuft bei uns verstärkt digital ab. So waren laut einer Parship-Umfrage von 2021 mehr als 50 Prozent der Befragten (beiderlei Geschlechts) der Überzeugung, dass in Zukunft die Partnersuche vor allem online ablaufen wird. Hier ersetzt der Computer nicht den Partner, wohl aber die Interaktion mit anderen Menschen. Wir sprechen niemanden an, wir checken erst ihr oder sein Onlineprofil. Wir fragen nicht nach dem Weg, wir befragen die Routenplaner. Wir nutzen den „Komfort-Check-In“ der Bahn-App, damit uns der Schaffner im ICE nicht stört.

Der moderne Mensch des Westens interagiert viel mehr mit Bildschirmen als mit anderen Menschen. Und dabei haben diese Bildschirme nicht einmal blaue Haare und große Kulleraugen.


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Marek Firlej

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