Die Vorstellung, dass auch Männer Opfer von häuslicher Gewalt innerhalb einer (heterosexuellen) Partnerschaft werden können, hört sich für Viele erst einmal abwegig an – schließlich sollten sich Männer dank ihrer (angenommenen) körperlichen Überlegenheit mit Leichtigkeit zur Wehr setzen können. Gewalt, die von Frauen an Männern ausgeübt wird, ist eines der wenigen verbliebenen Tabu-Themen – nicht zuletzt dank gängiger Männlichkeitsvorstellungen, die nicht mit der Opfer-Rolle zu vereinen sind. Betroffene Männer schweigen oft aus Scham oder Angst, nicht ernstgenommen zu werden.
Auch wenn das Phänomen in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird, weisen die wenigen, bisher geführten Untersuchungen darauf hin, dass es nicht nur eine Randerscheinung ist. Erstmalig befasste sich die Pilotstudie „Gewalt gegen Männer“ des Bundesfamilienministeriums von 2004 mit dem Thema. Jeder vierte der befragten Männer gab an, schon einmal Gewalt in der Partnerschaft erlebt zu haben – was in etwa dem Anteil der Frauen entspricht, die bei Befragungen von entsprechenden Erfahrungen berichten. Die Studie zog jedoch auch Kritik auf sich, da die Zahl der Befragten mit knapp 500 noch recht überschaubar war, und blieb weitgehend unbeachtet.
Eine Studie des Robert-Koch-Instituts zum Thema Gesundheit von 2013 mit 6.000 Teilnehmern griff das Thema wieder auf: Diese kam sogar zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass Frauen prozentual gesehen häufiger gegenüber ihren Partnern gewalttätig werden, als Männer – gleichzeitig waren sie jedoch auch häufiger Opfer von Gewalt. Dies rührt nach Meinung einiger Experten daher, dass Frauen auch die Selbstverteidigung gegen ihren gewalttätigen Partner dazu zählen – andere schließen jedoch aus den Ergebnissen, dass die Neigung der Geschlechter zu Gewalt gegen ihren Partner auf beiden Seiten gleich ausgeprägt ist.
Zwar ist die Datenlage damit immer noch ausbaufähig, inzwischen gehen jedoch offizielle Stellen wie Polizei und Beratungsstellen davon aus, dass in zehn Prozent der Fälle von häuslicher Gewalt die Aggression von Frauen ausgeht und sich gegen Männer richtet. In der Berliner Polizeistatistik von 2015 wurde der Anteil der männlichen Opfer sogar mit 25,3 Prozent angegeben. Laut einer Studie der University of British Columbia können übergriffige Frauen ebenso wie übergriffige Männer in drei Kategorien eingeteilt werden: die einen zeigen allgemein ein stark antisoziales Verhalten und werden auch außerhalb der Partnerschaft gewalttätig, andere sind emotional instabil und weisen starke Stimmungsschwankungen auf, während die dritte Gruppe nach außen hin keinerlei Auffälligkeiten zeigt und völlig unverdächtig erscheint.
Zwar steht außer Zweifel, dass sich der Großteil der häuslichen Gewalt immer noch gegen Frauen richtet. Es bleibt jedoch eine nicht zu vernachlässigende Gruppe von Männern, die ebenso wie Frauen Bedarf an Beratung, Unterstützung und Gewaltschutz hat. Und hier hapert es noch sehr: So stehen den bundesweit über 400 Frauenhäusern nur drei entsprechende Einrichtungen für Männer gegenüber. Viele Beratungsstellen richten sich ausschließlich an Frauen und sind auf Männer als Opfer gar nicht eingestellt, ebenso wenig wie psychiatrische Kliniken. Auch darin äußert sich die geringe gesellschaftliche Akzeptanz von männlichen Gewaltopfern, deren Schicksal nicht als gesellschaftliches Problem angesehen wird, was für die Betroffenen oft eine zusätzliche Belastung bedeutet.
Das ändert sich allmählich. In Köln gibt es mit dem Sozialdienst Katholischer Frauen (SkF) und dem „Wendepunkt“ der Diakonie Michaelshoven inzwischen zwei Beratungsstellen für Frauen, die auch Männer beraten. Auch der Verein „Väteraufbruch für Kinder“ bietet in Köln Männern Beratung an und ist Mitglied im Männerberatungsnetzwerk. Das ist eine Plattform, in der sich die bisher existierenden Beratungsstellen und Schutzeinrichtungen für Männer organisiert haben, um das Angebot transparenter zu machen. Auch der Interessenverband „Bundesforum Männer“ setzt sich für die Schaffung flächendeckender Beratungsstrukturen für Männer ein.
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zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und engels-kultur.de/thema
Aktiv im Thema
www.gewaltberatung-koeln.org | Beratung von Gewalttätern zum Ziel der Prävention und zum Abbau von Gewalt durch verändernde Täterarbeit
www.maennerberatungsnetz.de | Unabhängige Vernetzungsplattform existierender Notrufe, Beratungseinrichtungen und Schutzwohnungen, die von häuslicher Gewalt betroffenen Männern professionelle Hilfe anbieten
Thema im Dezember KINDERSEGEN
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Zweifel sind angebracht
"Zwar steht außer Zweifel, dass sich der Großteil der häuslichen Gewalt immer noch gegen Frauen richtet."
Diese Aussage wird immer wieder gebracht. Dadurch wird sie aber nicht wahrer.
1. Frauen sind doch Männer gleich, oder? Da wäre es mehr als verwunderlich, wenn Frauen weniger zuschlagen, als Männer. Wer es nicht glaubt, sollte "Bild der Wissenschaft" 8/2006, Artikel "Wenn Frauen zuschlagen" lesen: Hohe Parität bei der häuslichen Gewalt.
2. Die Aussage kann schon deswegen nicht stimmen, weil die Untersuchung der häuslichen Gewalt gegen Männer oder in Paarbeziehungen in Deutschland verboten ist. Wäre sie nämlich erlaubt, hätten wir schon längst eine solche Studie.
3. Die Statistiken zur häuslichen Gewalt blenden die Geschlechtszugehörigkeit der Opfer aus. In Freiburg hatte man sogar die Chuzpe 30% der männlichen Opfer als weibliche Opfer auszugeben, um das männliche Geschlecht schlecht zu machen. So lange die männlichen Opfer unsichtbar gemacht werden, müssen wir von hohen Dunkelfeldzahlen männlicher Opfer ausgehen.
4. Anders Breivik und der Fritzl aus Amstetten sind das Produkt ihrer gewalttätigen Mütter. Die Gewalt der Mütter gegen ihre Söhne wird nach wie vor eisern tabuisiert. Dadurch werden die nächsten männliche Täter herangezüchtet: Dies wird von den Gender-Spezialisten zum Anlass genommen, zu behaupten, dass es nur Täter gibt, dass nur EIN Tätergeschlecht existiert.
Fazit: Was nicht sein darf, kann einfach nicht sein, nicht wahr?
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