Wenn Filmemacher mit politisch brisantem Filmmaterial hantieren, sehen sich oft mit der ungewollten Aufmerksamkeit der Obrigkeit oder anderer politischer Kräfte konfrontiert. Neben den Regisseuren gilt dies besonders für deren engste Mitarbeiter – den Editoren, die direkt mit dem Filmmaterial arbeiten. Filmplus, das Festival für Filmschnitt und Montagekunst, hat diesem Thema am Samstag ein ganzes Panel gewidmet. Dessen Kurator Dietmar Kraus hatte drei europäische Editoren zum Gespräch ins Filmforum eingeladen, die in den vergangenen Jahren einschlägige Erfahrungen gemacht hatten: Mathilde Bonnefoy, die gemeinsam mit der Regisseurin Laura Poitras an der Dokumentarfilm „Citizenfour“ über Edward Snowden gearbeitet hatte, Dávid Jancsó aus Ungarn, der Kornél Mundruczós Spielfilm „Jupiter‘s Moon“ geschnitten hatte, sowie die aus Georgien stammende Künstlerin Salome Machaidze, die als Editorin an „Der Fall Chodorkowski“ des deutschen Regisseurs Cyril Tuschi mitgewirkt hatte, dessen Material, bevor er öffentlich gezeigt wurde, zweimal gestohlen worden war.
Was etwa Bonnefoy von ihrer Arbeit an „Cititzenfour“ zu berichten hatte, klang oft selbst wie der Stoff für einen Agententhriller: Ursprünglich hatten sie und Poitras an einem anderen Film über staatliche Überwachung gearbeitet, für den sie unter anderem Julian Assange interviewten. (Der ließ sich zusichern, dass das Material nur in bestimmten Ländern bearbeitet werden durfte, deren Gesetze zum Schutz der Privatsphäre seinen Ansprüchen genügten). Anfang 2013 aber erhielt Poitras erstmals E-Mails von Snowden, der ihr unter dem Decknamen Citizenfour brisantes Enthüllungsmaterial anbot.
„Zu dem Zeitpunkt war Snowden noch völlig unbekannt und wir wussten nicht, ob die Mails authentisch waren, oder nicht.“ Poitras reiste schließlich nach Hong Kong, wo sie Snowden persönlich traf – und kam mit Snowdens Enthüllungen im Gepäck wieder, die sie tief erschüttert hatten. „Das Material hob unsere Paranoia definitiv auf ein neues Level“, so Bonnefoy. So schnitt sie die Aufnahmen etwa aus Sorge davor, abgehört zu werden, mit Kopfhörern. Das Team kommunizierte mittels auf kleine Zettel geschriebener Nachrichten, die anschließend verbrannt wurden, Besprechungen fanden meist im Freien statt – und ihre Mobiltelefone lagerten sie im Tiefkühlfach. „Das stört das Signal“, gab Bonnefoy dem Publikum als Tipp mit auf den Weg. „Diese Paranoia war durchaus berechtigt“, sagte sie, „denn Snowden hatte sich damals noch nicht an die Öffentlichkeit gewandt und niemand wusste, wie weit das Material ging – die amerikanische Regierung hatte also entsprechend hohes Interesse an unserer Arbeit.“
Dávid Jancsó hingegen musste sich bei seiner Arbeit an dem Flüchtlingsdrama „Jupiter's Moon“ mit dem vergleichsweise klassischen Problem staatlicher Zensur in Gestalt der ungarischen Filmförderung herumschlagen. „In Ungarn liegt die Filmförderung in der Hand einer einzigen Person [Andrew G. Vajna, die Red.], der das Recht über den finalen Schnitt zusteht“, berichtete Jancsó. „Es gibt in Ungarn daher die Eigenheit, dass Regisseure ein Drehbuch einreichen, um Förderung zu erhalten – das ist aber nicht das Buch, das sie dann drehen.“ Bei „Jupiter's Moon“ kam erschwerend hinzu, dass der Film die Situation von Flüchtlingen in Ungarn behandelte – ein schwieriges Thema im rechtslastigen politischen Klima des Landes. „Unser Produzent hatte uns ermahnt, vorsichtig zu sein – zum Beispiel, keine Sicherheitskräfte an den Grenzen zu zeigen, die gewalttätig werden“, so Jancsó.
Dass die Arbeit mit politischem Material ganz konkret gefährlich werden kann, zeigte vor allem der Ausschnitt aus dem in Russland gedrehten Oligarchen-Porträt „Der Fall Chodorkowski“ auf, den Salome Maichadze gezeigt hatte: Zwei der Personen, die darin gezeigt wurden, sind tot – der eine wurde bereits vor dem Schnitt ermordet, der andere, Boris Nemzow, wurde 2015 erschossen. Maichadze machte sich dennoch wenig Sorgen um ihr eigenes Leben. „Wir waren einfach zu unwichtig für sie.“ Als in der Sowjetunion aufgewachsene Georgierin sei sie einfach an die Atmosphäre des Misstrauens und der Bespitzelung gewöhnt gewesen.
Sich von Drohkulissen nicht einschüchtern zu lassen und seine Arbeit fortzusetzen, lohne sich jedoch, sagte Bonnefoy. „Wenn man Zeuge eines Aktes von ungewöhnlichem Mut wird, wie eben Snowdens Enthüllungen, dann ist das auch für das eigene Leben inspirierend. Es verleiht dem Leben Sinn.“
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