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Jürgen Becker, Kabarettist und Karnevalist, in Aktion
Foto: Jan Krauthäuser

„Wir schaffen Deutschland ab!“

29. Januar 2011

Jürgen Becker zu Prunk und Stunk im Kölner Karneval – Thema 02/11 Links-rheinischer Karneval

choices: Herr Becker, hat der Kölner Karneval noch etwas Rebellisches, oder geht es nur noch um Koma und Kloppe?
Jürgen Becker:
Karnevalisierung heißt historisch immer Umkehrung – der Narr wird König, der König wird erniedrigt. Das Christentum etwa hat die Religion karnevalisiert. Gott wird zu einem kleinen Panz in einer extrem armen Patchwork-Familie. Man würde heute sagen: abgehängtes Prekariat. Insofern gehören Koma und Kloppe auch zum Karneval. Böll formulierte es vornehmer: „Karneval ist, wenn man zu seinen Körperflüssigkeiten stehen kann.”

Was war der Unterschied zwischen Prunk und Stunk vor 27 Jahren?
Mit 27 Jahren spielen sie auf die Gründung der Stunksitzung an. Hier wurden die Frackträger und Honoratioren auf dem Elferrat ersetzt durch Jecken, die den Ahl Säu nahe standen, und der Präsident war ein Punk mit Irokesenschnitt. Insofern war das die Umkehrung der Umkehrung.

Quo vadis Karneval?
Joseph Beuys hat den Begriff der „Sozialen Plastik” kreiert. Den sollten wir karnevalistisch interpretieren. „Jeder Mensch ist ein Künstler” heißt ja nicht, das jeder ein Maler oder Bildhauer ist. Aber jeder hat Talente, und im Karneval lassen sie sich besonders leicht entwickeln. 60% der Kölner Kinder haben eine Migrationsgeschichte, an vielen Schulen sogar 90%. Und jetzt, wo sich die gebildeten Schichten mit der Fortpflanzung so zurückhalten, hängt die Zukunft unseres Landes davon ab, wie viele es von den Hauptschulen an die Universitäten schaffen. Diese Umkehrung kann im Karneval eingeübt werden: Wer entwirft, konstruiert, schweißt, hämmert, flext und bemalt mit den Hauptschülern einen Karnevalswagen?

Wo treffen wir Sie Rosenmontag?
Oft wurde ich eingeladen, auf einem Wagen mitzufahren, aber ich bevorzuge die Schull- und Veedelszöch. Dort fahre ich Trecker oder stehe auf dem Wagen. Natürlich mit Hauptschülern. Ich liebe das, wenn der Moslem „Alaaf“ ruft. Motto des Wagens dieses Jahr frei nach Sarrazin: Wir schaffen Deutschland ab!

Interview: Lutz Debus

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