Dienstag, 21. September: Rund 80 Filme aus Ländern wie Ghana, Kenia, Burkina Faso, Angola, Uganda oder Äthiopien sind noch bis zum 26. September beim 18. Afrika Film Festival Köln zu sehen. Wie in den Jahren zuvor bietet das Festival eine Plattform für die aktuellen Werke des afrikanischen Kontinents, die ansonsten viel zu selten auf hiesigen Leinwänden zu sehen sind. In vielen Fällen sind auch die FilmemacherInnen selbst in Köln zu Gast, stellen ihre Arbeit vor und diskutieren im Anschluss mit dem interessierten Publikum. So auch Aïcha Macky aus dem Niger, die mit „Zinder“ einen Film über ihre Heimatstadt drehte, der zweitgrößten Stadt des Landes mit rund 320.000 Einwohnern. Finanzielle Unterstützung erhielt die Filmemacherin dabei nicht nur aus Frankreich, sondern auch durch die in Köln beheimatete deutsche Produktionsfirma Corso Film, deren Geschäftsführer Erik Winker und Martin Roelly gemeinsam mit dem deutschen Sounddesigner des Films, Andreas Hildebrandt, ebenfalls zur Deutschlandpremiere des Films gekommen waren. Die Vorführung im Rahmen des Afrika Film Festivals erfolgte in Kooperation mit der Deutsche-Welle-Akademie und den „Freunden des Wallraf-Richartz-Museums und des Museum Ludwig“, weswegen Rita Kersting, die stellvertretende Direktorin des Museums Ludwig, einige einleitende Worte sprach.
Soziale Kluft innerhalb einer Stadt
Kersting erläuterte, dass das im Film porträtierte Zinder-Viertel Kara-Kara ursprünglich als Ort für die Leprakranken der Stadt angelegt worden war, und auch heute noch in erster Linie Ausgestoßene, Bettler, Diebe und Kranke beheimate. Aïcha Macky, die zum ersten Mal in Köln war, sagte am Abend, sie wolle mit ihrem Film „der Jugend meines Landes eine Stimme geben“. Sie selbst hatte Zinder immer als einen „Hafen des Friedens“ erlebt, musste dann aber feststellen, dass es in Kara-Kara für die Jugend eigentlich keine Hoffnung gibt. Ihr Alltag ist bestimmt von Arbeitslosigkeit, Langeweile, daraus resultierenden Gewalttaten und Auseinandersetzungen zwischen den Straßenbanden. Viele von ihnen haben etliche Narben am Körper, die davon Zeugnis ablegen. Die soziale Kluft innerhalb der Stadt sei symptomatisch und würde sich in ähnlicher Form in zahlreichen Großstädten wiederfinden. Neben Gewalt und Armut „wütet in Kara-Kara auch ein grassierender Analphabetismus“, so die Regisseurin weiter. Zu Beginn der Dreharbeiten hatte sie auch Angst, da sie nicht wusste, wie sie den muskelbepackten jungen Männern des Viertels als filmende Frau begegnen solle. Doch schnell habe sie dann die Aufrichtigkeit dieser Menschen erkannt, und dass die Gewalt unter ihnen den gesellschaftlichen Ursachen geschuldet war. Um das Vertrauen ihrer Protagonisten zu gewinnen, habe sie ihnen ihre Familie vorgestellt, ihnen gezeigt, dass sie selbst ein Kind der Stadt Zinder sei, und dass sie einen Film mit ihnen anstatt einen Film über sie drehen wolle. Nachdem das Eis gebrochen war, hatte Aïcha Macky während der gesamten Dreharbeiten den Schutz der Gangs von Kara-Kara, die sie nun als eine der ihren betrachteten.
Weltpremiere vor tausenden Menschen
Macky konzentrierte sich bei der Auswahl ihrer Protagonisten auf erwachsene junge Männer, obwohl sie auch mit vielen Kindern im Alter von zehn bis zwölf Jahren gesprochen hatte. Sie wollte damit zum einen rechtliche Probleme vermeiden, sich zum anderen auf Gang-Mitglieder konzentrieren, die bereit waren, die Gewalt und Illegalität hinter sich zu lassen und einen Weg aus der Misere zu suchen, was am Ende von „Zinder“ auch angedeutet wird, als einige von ihnen eine private Security-Firma gründen wollen. Bereits Mitte Juni hatte Mackys Film in Niger seine Weltpremiere gefeiert, zu der tausende Menschen gekommen waren. Aufgrund der großen Nachfrage, musste der Film mehrmals hintereinander gezeigt werden. Der Gouverneur bedankte sich bei der Filmemacherin für die Einblicke, die ihm ihr Film geliefert habe, und der dann einen Dialog zwischen den unterschiedlichen Beteiligten in Gang setzte. Macky plant bereits ihren nächsten Film, in dem es nun um Frauen gehen soll, die aufgrund von Krankheit und anderen Faktoren in der Isolation leben müssen und an einem Abgrund stehen, dem sie gerade noch entkommen können. Und auch die Kölner Corso Film hat bereits eine zweite Produktion im westafrikanischen Binnenstaat Niger ins Auge gefasst, die sich gerade in Vorbereitung befindet.
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