choices: Herr Lemper, Sie waren bis zum Ende Ihrer kommunalpolitischen Tätigkeit im Kölner Stadtrat Vorsitzender des Kulturausschusses. Ihre persönliche Bilanz zur Kölner Kulturpolitik?
Lothar Theodor Lemper: Absichtserklärungen haben gegenüber den tatsächlichen Umsetzungen deutlich überwogen. Es gab eine gewisse Unbeweglichkeit des Kulturdezernats und viel Zurückhaltung bei kreativen Überlegungen. Wir haben einen Kulturentwicklungsplan verabschiedet und waren zugleich davon überzeugt, dass wir nur wenig davon realisieren werden.
Im Kulturentwicklungsplan ist auch die Rede von der „Notwendigkeit einer zielführenden regionalen Zusammenarbeit“. Aktiv wurde in letzter Zeit aber nur Bonns OB Jürgen Nimtsch. Er hat mehrfach eine Köln-Bonner Zusammenarbeit in der Kulturpolitik angekündigt. Dabei ist Herr Roters Autor eines Gutachtens über die „Zukunftsinitiative Metropolregion Köln – Bonn“. Dort arbeitet er heraus, dass etwa die Regionen Hamburg und München von einem solchen Konzept besonders profitiert haben.
Das war vor seiner Zeit als OB. Es gibt seit nunmehr 18 Jahren einen Verein, dessen einziger Zweck die Organisation der regionalen Zusammenarbeit ist. Zur Bilanz von Regio Rheinland kann ich nur sagen: viel ritualisiertes Palaver und wenig Konkretes. Ich finde, Herr Roters sollte sich sein Gutachten noch einmal durchlesen und dann darüber nachdenken, ob er nicht die Initiative ergreift.
Kann Köln wirklich zur Hoffnungsträgerin in der Region werden? Köln ist die regionale Metropole. Ob die Stadt die Führung übernehmen kann, hängt auch mit Personen zusammen.
Woran liegt’s, dass es bisher nicht geklappt hat? Die offensichtlichen Verzögerungen verantwortet die gesamte politische Landschaft. Man ist offensichtlich nicht in der Lage, sinnvolle regionale Kooperationen anzugehen. Außerdem gibt es keinen Zwang von außen, insbesondere keine ausreichenden finanziellen Rahmenbedingungen. In einigen Bereichen der Daseinsvorsorge wie der Energieversorgung, der Telekommunikation oder im Nahverkehr gibt es völlig andere Perspektiven. Hier kooperiert man, weil das erkennbar effizienter und kostengünstiger ist.
Die Entwicklung der Kommunalfinanzen legt doch nahe, nach Möglichkeiten zur Senkung der Kosten der kommunalen Infrastruktur zu suchen. Das ist eine eher abstrakte Einsicht. Nehmen Sie die Schulden der Stadt Köln. Um den laufenden Haushalt ausgeglichen gestalten zu können, nimmt man immer weiter Schulden auf. Auf dieser Basis beschließt man dann die teure Sanierung des Opernhauses und seinerzeit den Neubau des Schauspiels. Man plant die Archäologische Zone, ohne über deren Folgekosten zu reden. Das gleiche beim Museum Schnütgen und dem Museum für Völkerkunde. Es gibt offensichtlich einen Widerspruch zwischen der wirklich dramatischen Finanzsituation der Stadt und dem, was an Plänen verabschiedet wird.
Früher hieß es in der Kommunalpolitik: Eine Million ist immer drin. Verbinden Sie mit der regionalen Perspektive eine gewisse finanzielle Entlastung? Ja. Ich möchte diese Perspektive aber nicht vorrangig unter dem Druck der leeren Kassen diskutieren wollen. Sie ist auch so sinnvoll, es geht ja um die Garantie einer vernünftigen Infrastruktur. Das Thema einer doppelten Philharmonie in Köln und Bonn hat sich ja eben erledigt, weil das Bonner Festspielhaus nicht finanziert werden kann. Aber es ist doch hanebüchen, gefühlte zehn Minuten von der Kölner Philharmonie entfernt ein neues Haus zu planen. Man sollte eher über ein Konzept Philharmonie KölnBonn nachdenken. Das Gleiche gilt für Oper und Schauspiel. Ich plädiere nicht dafür, die Einrichtungen aufzugeben, aber für gemeinsame Proberäume oder Verwaltungen, wo ist das Problem? Auf der Ebene der Privatwirtschaft passiert das allenthalben.
Sie haben auch einmal ein gemeinsames regionales Marketing angemahnt. Natürlich. In der Region gibt es 70 Museen. Das Museum Schloß Morsbroich in Leverkusen ist eben das deutsche Museum des Jahres 2009 geworden. Das sind doch Pfunde, mit denen man das regionale Profil schärfen könnte. Eine Bündelung der Ressourcen setzt aber eine vernünftige Kooperation voraus. Und die klappt schon in Köln nicht. Was für die Museen gilt, trifft auch auf das Musikleben zu. Die Brühler Schlosskonzerte, das Bonner Beethoven-Fest oder die Triennale in Köln – alles nur lokal ausgerichtet.
Gibt es aus Ihrer Sicht perspektivisch eine Alternative zur Region? Kaum. Nehmen Sie nur die demografische Entwicklung. Wie gehen wir angesichts der sinkenden Zahl der Jüngeren mit Kindergarten, Schulbauten, Seniorenzentren um? Wo kann der öffentliche Nahverkehr noch fahren? Alles übergreifende Entscheidungen, die wir heute angehen müssen, um für die nächsten 10 bis 15 Jahre gerüstet zu sein.
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