Nicht in Indonesien, sondern ein wenig östlich von Köln, in Overath liegt sie, die Heimat von Jakarta Records. Als Schüler machte Jannis Stürtz, einer der beiden Self-Made-Labelchefs, ein Praktikum beim Kölner Plattenladen Groove Attack und lernte schnell, dass im Umfeld des Ladens fast jeder Musik machte oder ein eigenes Label hatte. Also setzte er sich mit Malte Kraus, einem Freund, zusammen, um die Musik von Simon Werle, einem anderen Freund, herauszubringen. „Wir haben ein paar Euros zusammengekratzt und die Platte gepresst“, erzählt Malte Kraus. „Alles ganz DIY und autodidaktisch“. Die „desaströse finanzielle Bilanz“ ihrer Debütveröffentlichung konnte die beiden nicht davon abhalten, ein paar Katalognummern hinzuzufügen und weil das Geld wohl irgendwie nicht so wichtig war, bekam man Bestätigung aus anderer Quelle: Ein DJ-Set im mittlerweile leider geschlossenen Kölner Kellerclub „Stecken“. „Als wir unseren Kram aufbauten, entdeckte ich eine unserer 7-Inch-VÖs in der Plattenkiste, in der Stecken-Inhaber Volker seine eigenen Platten hortete“, erzählt Malte Kraus. „Da wusste ich das erste Mal, dass wir was richtig machen. Ich glaube, es war die JR012.“
Mittlerweile ist man bei Release Nummer 66 angekommen und – nein, den Witz mache ich an dieser Stelle ausnahmsweise mal nicht – denn die stilistische Bandbreite von Jakarta Records ist schon seit längerem auffällig. Angefangen hat alles mit Hip Hop und auch heute ist der Boom Bap Beat das Lieblingsaccessoire der auf Jakarta versammelten Artists. Der afghanisch-deutsche Producer Farhot zaubert nicht nur ein paar zusammengesampelte Cratedigging-Perlen aus seiner Sequenzer-Software, sondern hat mit Kano und Ms Dynamite auch zwei britische MCs, die auf deutschen Produktionen eher selten gefeatured werden. Lord Echo dagegen macht seinem Namen alle Ehre und präsentiert sich als Widerhall der Black Music, als virtuous verschnipselter Edit-Künstler. Das ambitionierteste Release auf Jakarta ist aber wahrscheinlich die Compilation „Sawtuha“. In Zusammenarbeit mit einer NGO versammeln die Labelmacher eine Reihe von weiblichen MCs aus Tunis, Kairo und anderen Städten Nordafrikas , die mal kämpferisch und mal reflektierend von ihrem Alltag im dritten Jahr nach dem Arabischen Frühling erzählen.
Trotzdem, nur mit Labelmachen alleine, kommen auch die Kraus und Stürtz nicht über die Runden. „Durch unsere jetzt dann doch fast acht Jahre Erfahrung in diesem Indie-Geschäft, ist dann aber auch immer mehr dazu gekommen“, berichtet Malte Kraus. „Wir buchen ab und zu für unsere Acts oder kümmern uns um andere Belange. Das hat dann letztlich auch dazu geführt, dass wir für ein paar inzwischen das Management übernommen haben.“ Klar, wo die Margen gering sind, muss die Aufopferung umso größer sein. Dafür belohnt man sich dann selbst – mit einem Flaniergang über Soundcloud und Bandcamp und einer Mail an die Producer, mit denen man gerne mal ein Release planen würde. Und auch wenn Jannis Stürtz wohl der clickfreudigere der beiden Labelchefs zu sein scheint, ist die Entscheidung letztlich wohl doch wieder Teamwork: „Aber irgendwie wird dann die Entscheidung doch fast jedes Mal von uns beiden einstimmig getragen. Das ist sozusagen die letzte, aber eigentlich auch einzige Instanz, die es bei Jakarta Records gibt.“
Infos: www.jakarta-records.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Grenzenlos episch
Live gespielte Game-Soundtracks werden zum Megaevent – Popkultur in NRW 11/18
Odyssee im Ruhrgebiet
Weltoffene Konzerte umsonst und draußen – Popkultur in NRW 07/18
Tiefenentspannt in Duisburg
Traumzeit-Festival mit Mogwai, Slowdive und The Great Faults – Popkultur in NRW 06/18
Global denken, lokal tanzen
NRW Kultursekretariate fördern musikalischen Reichtum – Popkultur in NRW 04/18
Absichtlich schön
Giant Rooks: aus Hamm in den Indie-Pop-Olymp – Popkultur in NRW 02/18
Das Geld liegt auf der Straße
Musikmesse create & connect will dem Nachwuchs zu Erfolg verhelfen – Popkultur in NRW 11/17
Girls in Airports
Zuhause im Zwischenland – Popkultur in NRW 10/17
Welches Obst bist du?
Süßes und Saures beim Juicy Beats Festival in Dortmund – Popkultur in NRW 07/17
Musikfestivals im Ruhrgebiet
Umsonst, draußen, für alle – Popkultur in NRW 06/17
Ein paar Takte Heimat
Tanz die 80er Jahre – Popkultur in NRW 05/17
Anatolischer Krautrock
Elektro Hafız auf dem Schwarzweissbunt-Festival – Popkultur in NRW 04/17
Dada für die Generation Y
Die Band Golf lädt an den „Playa Holz“ – Popkultur in NRW 03/17
Tolerante Szene
An diesem Abend gehen Kölner Jazzbühnen fremd – Improvisierte Musik in NRW 11/24
Nordisches Spitzenprodukt
Rymden am Theater Krefeld – Improvisierte Musik in NRW 10/24
Experimentell und innovativ
3. New Colours Festival in Gelsenkirchen – Improvisierte Musik in NRW 09/24
Immer eine Uraufführung
4. Cologne Jazzweek – Improvisierte Musik in NRW 08/24
Ein Abend für den Duke
Jason Moran und die hr-Bigband in Duisburg – Improvisierte Musik in NRW 07/24
Musikalische Eröffnung der EM
Bundesjazzorchester mit Tom Gaebel in Dortmund und Köln – Improvisierte Musik in NRW 06/24
Verschiedene Welten
Drei Trompeter besuchen das Ruhrgebiet – Improvisierte Musik in NRW 05/24
Besuch von der Insel
„Paul Heller invites Gary Husband“ im Stadtgarten – Improvisierte Musik in NRW 04/24
Pure Lust an der Musik
Das Thomas Quasthoff Quartett im Konzerthaus Dortmund – Improvisierte Musik in NRW 03/24
Kleinstes Orchester der Welt
„Solace“ in der Friedenskirche Ratingen – Improvisierte Musik in NRW 02/24
Mit zwei Krachern ins neue Jahr
Jesse Davis Quartet und European All Stars in Köln – Improvisierte Musik in NRW 01/24
Sturmhaube und Ballonmütze
Gregory Porter in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 12/23
Balladen für den Herbst
Caris Hermes Quintett in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 11/23