Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
13 14 15 16 17 18 19
20 21 22 23 24 25 26

12.581 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Erstversion: „Hall01"
Foto: Taat / Studiobühne

Angewandte Sozialität

25. September 2014

„Hall02" in der Kirche St. Michael – Theater am Rhein 10/14

„Art & Amen" steht etwas lax außen an der Kirche St. Michael am Brüsseler Platz. In der Kirche haben der Architekt Breg Horemans und der Theatermacher Gert-Jan Stam ihre Installation „Hall 02" aufgebaut. Unter dem Namen Taat arbeiten die beiden an der Verschränkung von Theater und Raum. Insgesamt 33 Projekte sind geplant, an deren Ende das ideale Gebäude steht, das zugleich ein Theaterstück ist. Man betritt den Kölner Parcours aus 25 Räumen durch eine Tür und steht plötzlich in einem dunklen Gang. Anders als bei Gregor Schneiders Installation „Neuerburgstraße 21" ist man hier allerdings nicht auf sich allein gestellt: Im Nebenraum sind Schritte eines Nachbarn zu hören. Man ist gezwungen gemeinsam eine Tür zu entriegeln, um überhaupt weiterzukommen. Dann geht es vorwärts in ständiger Bezogenheit zum anderen – die kleineste soziale Einheit sind schließlich zwei Personen. Jeder hat hier zwar seinen Parcours, doch man fühlt sich auf merkwürdig selbstverständliche Art verbunden. Immer neue Durchblicke halten diese Bezogenheit wach.

Bei der ersten Begegnung ist es noch ein kurzes Erschrecken: Man steht sich gegenüber wie vor dem Spiegel und erkennt sich nicht. Ich ist ja bekanntlich ein anderer. Dann beobachtet man sich durch einen Lattenrost, sieht nur den Kopf oder den Unterleib: Der Körper wirkt (mythisch) zerstückelt und erinnert daran, wie mühselig wir uns eine körperlich abgeschlossene Identität konstruieren. Man fühlt sich als Voyeur, wenn man durch ein Astloch den anderen beobachtet. Oder versucht, dessen Blick zu entkommen, indem man das Tempo verzögert oder beschleunigt. Die mit Schiebetüren abgetrennten, hölzernen Kammern sind schlicht gehalten wie in der Sauna, wirken gelegentlich klaustrophobisch eng, auch weil der Blick nach draußen verbarrikadiert ist. Am Ende erwartet jedes Parcours-Duo noch eine Überraschung. „Hall 02" ist ein verblüffendes und überzeugendes Spiel angewandter Sozialität, das den Raumparcours mit einem Gefühlsparcours verbindet, das zunächst schlichter wirkt, als es ist – und das weit mehr zu erzählen hat als Gregor Schneiders Installation.

„Hall 02" | R: Breg Horemans und Gert-Jan Stam | Kirche St. Michael/Studiobühne | bis 2.10. 12-21 Uhr, Einlass alle 15 Min. | Anmeldung: 0175 448 65 52

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

We Live In Time

Lesen Sie dazu auch:

„Andere Realitäten schaffen“
Dramaturg Tim Mrosek über „Kaputt“ am Comedia Theater – Premiere 12/24

„I am present but I don‘t exist“
West Off 2023 in Bonn, Köln und Düsseldorf – Prolog 11/23

„Ein interdisziplinäres großes Theaterhaus für die Stadt“
Die Dramaturgin Stawrula Panagiotaki übernimmt die Leitung der Studiobühne – Premiere 11/23

Metaebene der Clowns
„Clowns“ in der Studiobühne – Theater am Rhein 07/23

„Offen für experimentelle Formen und alles Neue“
Dietmar Kobboldt geht als Leiter der Studiobühne in den Ruhestand – Premiere 07/23

Perforierte Sprachgrenze
Die Studiobühne zeigt „Total“ – Theater am Rhein 05/23

Bedrohliche Fürsorge
„(S)Caring“ an der Studiobühne Köln – Auftritt 05/23

Spätes Licht
Studiobühne zeigt „Nachttarif“ – Theater am Rhein 04/23

Mit Ulrike Meinhof reden
„lieber wütend als depressed“ des Parasites Ensemble – Auftritt 10/22

„Ein Konzeptalbum, das sich mit Köln auseinandersetzt“
Daniel Schüßler über„Shit(t)y Vol.1.“ in der Tanzfaktur – Premiere 09/22

Wurzeln, Muskeln, queere Körper
„Mandragora“ in der Tanzfaktur – Auftritt 08/22

„Ab wann kippt ein freier Geist?“
Constantin Hochkeppel & Collaborators über „Tipping Points“ – Premiere 04/22

Theater am Rhein.

HINWEIS