Ein Jugendzentrum im Kölner Stadtteil Nippes: Während im Obergeschoss gerade die Breakdance-Gruppe trainiert, geht es ein Stockwerk tiefer ruhiger zu. Hier hat die Bastel- und Kreativgruppe für Flüchtlingskinder der örtlichen Willkommensinitiative die Räume in Beschlag genommen. An zwei Tischen sitzen die Fünf- bis Zwölfjährigen, fröhlich plappernd und doch konzentriert, wo sie Fotos von bekannten Kölner Stadtansichten nebeneinander kleben. „Sie sammeln Orte in Köln, die sie schon kennen gelernt haben“, erklärt Brigitte Krömmelbein, die die Gruppe heute anleitet. Die ehemalige Kunsttherapeutin engagiert sich seit einem Jahr für die in den Flüchtlingsunterkünften des Viertels untergebrachten Kinder, die sie zu dem wöchentlichen Termin eigens abholt.
Die kindgerechte Versorgung minderjähriger Geflüchteter ist eine zentrale Frage der Migrationspolitik, denn ein großer Teil der in Deutschland Asyl beantragenden Flüchtlinge fällt in diese Kategorie – Schätzungen schwanken zwischen einem Drittel und der Hälfte aller in Deutschland ankommenden Flüchtlinge. Dies ist besonders für die Infrastruktur und Ressourcen der Schulen eine Herausforderung, da die Schulpflicht auch für Kinder ohne deutsche Staatsbürgerschaft besteht. So zählte das NRW-Schulministerium im April 2016 245.600 ausländische Schüler an den Schulen des Bundeslandes, im laufenden Schuljahr sollen noch einmal bis zu 40.000 hinzukommen. Um dem Bedarf zu begegnen, hatte das Land 2015 und 2016 etwa 5.800 zusätzliche Stellen für Lehrer geschaffen, davon allein 1200 für die Sprachförderung – der Arbeitsmarkt für Lehrer ist daher auch ziemlich „leergefegt“, wie es Udo Beckmann vom Verband Bildung und Erziehung formuliert.
Erstes Ziel bei der Integration der zugewanderten Schüler ist der Spracherwerb, weshalb sie im Allgemeinen zunächst gemeinsam in Vorbereitungsklassen unterrichtet werden, bevor sie am regulären Unterricht teilnehmen können. Ziel ist es jedoch, sie so schnell wie möglich auf ein sprachliches Niveau zu bringen, mit dem sie dem Unterricht in den Regelklassen folgen können, um sie voll in den Schulalltag zu integrieren.
Trotz des aufgestockten Personals führt die Situation viele Lehrer, vor allem in Grundschulen, an ihre Belastungsgrenzen, denn nicht nur die Flüchtlingskinder haben einen hohen Betreuungsbedarf, sondern auch viele der alteingesessenen Schüler. Der Zwang zum Vierteilen sei für Grundschullehrer in NRW längst zum Regelfall geworden, äußerte sich Beckmann in der Presse Viele der geflüchteten Schüler sind außerdem traumatisiert, was auch im Schulalltag berücksichtigt werden muss – ein Problem, das sich auch Kindertagesstätten stellt.
Trotz der Bemühungen gibt es immer noch eine große Gruppe geflüchteter Kinder, die durch das Raster fallen, denn die Schulpflicht greift erst, sobald sie einer Kommune zugewiesen wurden - solange die Asylverfahren ihrer Familien noch laufen und sie in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht sind, sind sie von der Teilnahme am regulären Unterricht ausgeschlossen. Auch deswegen leisten private, ehrenamtliche Initiativen wie „Willkommen in Nippes“ einen wichtigen Beitrag zur Integration. Brigitte Krömmelbein engagiert sich inzwischen sei einem Jahr und hat eine Routine im Umgang mit den Kindern entwickelt. „Wenn man sie kennt, ist vieles einfacher und auch schöner“, sagt sie. So ist sie etwa sehr angetan vom hohen Bildungsniveau syrischer Kinder, erlebt aber auch, wie unterschiedlich sie ihre Erlebnisse verarbeiten. „Manche sind etwa sehr anhänglich und distanzlos, andere sind wieder sehr in sich gekehrt und manche sind auch sehr aufgedreht“, beschreibt sie ihre Erfahrungen. Manche ihrer Schützlinge begleitet sie bereits seit einem Jahr – doch die meisten sieht sie irgendwann nicht mehr wieder, wenn ihre Familien die Unterkunft verlassen haben.
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zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und engels-kultur.de/thema
Aktiv im Thema
www.paritaet-nrw.org | Homepage des Paritätischen Wohlfahrtsverbands NRW
www.kinderschutzbund-koeln.de | Deutscher Kinderschutzbund Ortsverein Köln. Die Lobby für Kinder
www.diakonie-michaelshoven.de | Begleitet und fördert neben Menschen mit Behinderung, Senioren und Menschen in schwierigen Lebenslagen auch Kinder- und Jugendliche
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