Der Saal im Artheater ist vollgestopft. Schuld sind sie: Gerd Buurmann und Hildegart Scholten, die am 8. Mai zum nunmehr 507. Mal zu „Kunst gegen Bares“ einluden, um das Kapitalistenschwein der Woche auszumachen. Das erste mögliche Schwein ist Christian, der mit Gitarre auf die Bühne hüpft, auf der er zuvor noch nie gewesen ist, und der sich geheimnisvoll „Dura-Cis“ nennt, wahrscheinlich, weil sein Nachname „Heil“ in Deutschland etwas schwierig werden könnte, wie Hildegart umgehend feststellt. Überhaupt ist die Komikerin an diesem Abend wunderbar herzlich und mitfühlend. So flirtet sie gelegentlich Männer aus dem Publikum an, leicht aggressiv werdend, wenn diese nicht zurückflirten, oder knallt einem Ehepaar um die Ohren, warum sie so viele Kinder hätten, sie hätten wohl zu viel gebumst. Hilde nimmt kein Blatt vor den Mund.
Christian „Dura-Cis“ Heils Darbietung besteht aus zwei Liedern – eines lautet „Schräge Vögel“, das andere beschäftigt sich mit dem allgegenwärtigen Thema „Toilettenpoesie“ und dem kollektiven Scheißhausgefühl. Der Refrain: „Po Po Poesie“. Höhepunkt dessen ist, dass Buurmann sich schließlich einmischt und perverse Gedichte sowie vulgäre Randnotizen Bertolt Brechts und Gerhard Rühms einfließen lässt: „Hier saß das End' von deinem Darm – am Sessel klebt mein heißer Mund! Warum ist dein Arsch so warm und groß?“, schreit er mit rotem Kopf. Das Publikum lacht. Eine hyperventilierende Dame wird regelmäßig von Lachkrämpfen geschüttelt, die wie ein quietschendes Meerschweinchen klingen. Das Schöne an „Kunst gegen Bares“ ist, dass es eine Interaktion zwischen den um Geld und um den ersten Platz buhlenden auftretenden Künstlern ist, den Moderatoren und dem Publikum, die sich in ein immer schräger werdendes Live-Experiment verwandelt.
So erlebt der Zuschauer einen bunten Abend von Simon im Pünktchen-Shirt, der von einer Verschwörung REWEs in Köln berichtet und von AFDlern, die in Internetforen den Untergang von Vergnügungsparks herbeischwörten, da sich dort angeblich zu viele Burkas im Tower tummelten, was den freien Fall erschwere. Gelächter. Gefolgt von Poetry-Slammerin Patricia, die über die wechselnde Farbe eines Chamäleons und ihre innere Zerrissenheit slamt, sich dabei sehnlichst wünschend, das Licht würde endlich wieder angehen. Über Wieland, der im Strom der Gezeiten am Klavier sitzt, über Krebse und die KVB philosophierend, gefolgt von Norman Kunz und Jan Backhaus, die mit einem klassischen Klavier- und Querflöten-Duett, das es in sich hat, überraschen. Zur Krönung mischt Hildegart sich dabei musikalisch ein, an des Pianisten Seite „Meine arme tote Katze!“ und „Miau!“ ins Mikrofon schreiend und dabei wild tanzend. Gefolgt von Kevin, der eimerweise Mayo verschlingt und seine Freundin Chantalle in der Klapsmühle kennenlernte. Unterschiedlicher könnten die insgesamt acht möglichen Anwärter auf den besten Künstler des Abends gar nicht sein.
Mein heimlicher Favorit ist ein gewisser „Marock Beerlay“, der Kindergeschichten und Märchen an Metalbands schickte, die Cover von diesen erstellen sollten. Cover-Kindersongs, die der aus dem Ruhrgebiet Stammende nun schreiend mit Headbanging und heiserer Stimme zum Besten gibt. Zu guter Letzt folgt ein Auftritt der Band Fiona: Eine Sängerin, die eine äußerst tiefe und enorm virtuose Stimme besitzt, begleitet von einem Saxophonisten und einer Gitarre. Das Publikum zeigt sich begeistert.
Da der Eintritt nur schlappe fünf Euro beträgt, ist jenes nun aufgefordert, in der anschließenden Pause den Interpreten seiner Wahl eine Anerkennung in Form einer Spende zukommen zu lassen. Damit wird das Publikum selbst zum aktiven Entscheider. Wer am Ende am meisten Bares in seinem Sparschwein hat, gewinnt. Den dritten Platz sichern sich Jan Backhaus und Norman Kunz. Platz Nummer zwei geht an Patricia, der endlich wieder ein Licht aufgeht. The winner is mit 66 Prozent der Stimmen: die Band Fiona. Patricia slamt im Übrigen am 28. Mai beim „Rosenkrieg“ in Bonn. Wer sich von der Stimmgewaltigkeit und Musikalität von Fiona überzeugen möchte, kann am 17. Mai zum Acoustic Slam in der Lichtung in Köln gehen oder am 31. Mai zum Konzertabend.
„Kunst gegen Bares“ | jeden Montag | Artheater | Facebook
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