Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.583 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

„Der Traum eines lächerlichen Menschen"
Foto: Presse

Bestusstes Lächeln

29. Januar 2015

Subbotnik inszeniert Dostojewski – Theater am Rhein 02/15

Die Utopie ist schon länger auf den Hund gekommen, die Erde dadurch aber auch nicht besser geworden. Die Frage bleibt unbeantwortet, woraus die Energie und das Zutrauen zu schöpfen wäre, zumindest seinen eigenen Kindern eine etwas bessere Welt zu hinterlassen. Der Erzähler in Dostojewskis Text „Der Traum eines lächerlichen Menschen" hat sich, nachdem die Mitmenschen ihn für hochgradig lächerlich halten, in stoische Gleichgültigkeit geflüchtet und plant, sich umzubringen. Diese Umwelt ist in der Inszenierung der Gruppe Subbotnik ein putziges Reich aus Papphäuschen mit Pultdächern und eingeschnittenen Fenstern. Ein alternatives Hüttendorf als Idylle der Vorläufigkeit, in der gebügelt, Schuhe geputzt, Kaffee getrunken und musiziert wird: Im hintersten Winkel spielt ein Trio in einem Pavillon auf. Das pseudoutopische Potential, als ein selbst ernannter Ernährungsberater Smoothies aus Christbaumnadeln anpreist, kann den lächerlichen Menschen in Gestalt von Olaf Helbing mit tieftreuen Hundeaugen auch nicht trösten. Er verfällt in einen totalen Solipsismus, wo Ich und Welt eins werden.

Subbotnik assoziert sich locker an der Erzählung entlang, fährt ein veritables Musikensemble auf, es wird gesungen, rhythmisch gesprochen, alles in ziemlich entspannter Haltung. Nur kein Stress mit großen Themen. Der Erzähler träumt sich schließlich als kleiner Vampir mit Bobfrisur in eine perfekte Welt. Die Häuser beginnen zu schweben, weiß gekleidete Menschen schreiten in Zeitlupe einher. Die Welt, in der Eigentum, Wissenschaft, Erkenntnis abgeschafft sind, entpuppt sich als öde Eintracht bestusster Lächelwesen. Als eine Art umcodierter Jesus nimmt es der Erzähler auf sich, den idealen Menschen die gute Nachricht von der Existenz des Bösen zu bringen. Am Ende stehen die Häuschen siedlungsmäßig in Reih und Glied, überall haben sich Paare gefunden, nur ein einsamer Fjodor Michailowitsch (Dostojewski) sinniert noch und kehrt seine hypertrophe Selbstüberschätzung in ein „liebe die anderen wie dich selbst" um. Ein schöner entspannter Theaterabend, hochmusikalisch, mit einem sehr spielfreudigen Ensemble.

„Der Traum eines lächerlichen Menschen" | R: Subbotnik | Studiobühne | keine weiteren Termine

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Die leisen und die großen Töne

Lesen Sie dazu auch:

„Andere Realitäten schaffen“
Dramaturg Tim Mrosek über „Kaputt“ am Comedia Theater – Premiere 12/24

„I am present but I don‘t exist“
West Off 2023 in Bonn, Köln und Düsseldorf – Prolog 11/23

„Ein interdisziplinäres großes Theaterhaus für die Stadt“
Die Dramaturgin Stawrula Panagiotaki übernimmt die Leitung der Studiobühne – Premiere 11/23

Metaebene der Clowns
„Clowns“ in der Studiobühne – Theater am Rhein 07/23

„Offen für experimentelle Formen und alles Neue“
Dietmar Kobboldt geht als Leiter der Studiobühne in den Ruhestand – Premiere 07/23

Perforierte Sprachgrenze
Die Studiobühne zeigt „Total“ – Theater am Rhein 05/23

Bedrohliche Fürsorge
„(S)Caring“ an der Studiobühne Köln – Auftritt 05/23

Spätes Licht
Studiobühne zeigt „Nachttarif“ – Theater am Rhein 04/23

Mit Ulrike Meinhof reden
„lieber wütend als depressed“ des Parasites Ensemble – Auftritt 10/22

„Ein Konzeptalbum, das sich mit Köln auseinandersetzt“
Daniel Schüßler über„Shit(t)y Vol.1.“ in der Tanzfaktur – Premiere 09/22

Wurzeln, Muskeln, queere Körper
„Mandragora“ in der Tanzfaktur – Auftritt 08/22

„Ab wann kippt ein freier Geist?“
Constantin Hochkeppel & Collaborators über „Tipping Points“ – Premiere 04/22

Theater am Rhein.

HINWEIS