Frank Schätzing ist Kölns Erfolgsautor Nr.1. Sein 1.000 Seiten starker Öko-Thriller „Der Schwarm“, in dem sich allerlei Meeresgetier gegen die Zerstörung seines Lebensraums auflehnt, wurde in 17 Sprachen übersetzt und allein in Deutschland über zwei Millionen mal verkauft. Die Filmrechte liegen bei der Kölner Produktionsfirma Zeitsprung und Hollywoodstar Uma Thurman („Pulp Fiction“), Produktionspartner ist Dino De Laurentis. Ted Tally („Das Schweigen der Lämmer“) schreibt am Drehbuch. Inzwischen hat Schätzing mit „Limit“ einen weiteren Wälzer geschrieben, in dem er die Leser diesmal 1.300 Seiten lang auf den Mond des Jahres 2025 entführt. Es geht um Machenschaften internationaler Konzerne, die um Rohstoffe kämpfen. Auch wenn die „quälend lange Reise“ (Stern) die Kritiker langweilte: Der Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch freut sich über bereits 620.000 verkaufte Bücher. „Solche Auflagen haben wir mit Heinrich Böll nie erreicht“, sagt der stellvertretende Vertriebsleiter Stephan Wirges. Aktuell komprimiert Schätzing sein Opus in einer Multimediaschau, mit der er auch im Rahmen der lit.COLOGNE am 17. März in der Kölner LanxessArena auftritt. Erwartet werden 4.000 Besucher. Gesponsert wird das Event vom Leverkusener Chemie-Multi Lanxess. Vorstand Rainier van Roessel: „Unser Engagement eröffnet einen ganz neuen Weg, uns für die Vermittlung von Wissen und Wissenschaft einzusetzen.“
EINST IN AMAZONIEN
Wo Lanxess draufsteht, ist meist auch Bayer drin – nicht unternehmensrechtlich, aber faktisch. Lanxess entstand 2004 aus einem Spin-Off der Chemiesparte und Teilen des Kunststoffgeschäfts der Bayer AG. Während das Bayerkreuz für ein langes ökologisches, soziales und politisches Sündenregister steht, kommt Lanxess so sauber daher, dass lit.COLOGNE-Geschäftsführer Reiner Osnowski den Ableger als Hauptsponsor seines Literaturevents präsentiert. Mit Bayer hat Osnowski seit den frühen 1980er Jahren zu tun. Damals war er an Aktionen gegen die Verklappung von Leverkusener Dünnsäure in der Nordsee beteiligte. Einige Jahre danach gründete er den Kölner Volksblatt-Verlag mit und wurde schließlich alleiniger Verleger des mehr als 150 Titel umfassenden Programms. Schwerpunkte: Ökologie, Dritte Welt und Frauen. 1994 veräußerte Osnowski das Verlagsprogramm an die Verlage Emons, Beltz und vor allem an Kiepenheuer & Witsch. Für letzteren fungierte er fortan als freier Lektor und Herausgeber von Buchreihen in Sachen Ökologie, Umwelt und Soziales. Parallel dazu dokumentierte er als Autor und Filmemacher zusammen mit dem Kölner Fotografen Manfred Linke Umweltprojekte am Amazonas. Die Universität von Belém und das Umweltministerium des brasilianischen Bundesstaates Pará ernannten Osnowski sogar zum „Beauftragten für ökologische und soziale Fragen Amazoniens in Deutschland“. Als Sonderbotschafterin der Brasilianer fungiert inzwischen Nina Hoss. Die bekannte Schauspielerin agiert in den Fußstapfen ihres 2003 verstorbenen Vaters Willi Hoss. Der ehemalige Mercedes-Betriebsrat und Grünen-Mitgründer hatte sich für Indio-Projekte am Amazonas eingesetzt, die wiederum von Osnowski und Linke ins Bild gesetzt wurden.
VERINNERLICHTE STANDARDS
Die Ziele, für die sich einst Minderheiten einsetzten, sind inzwischen Mainstream. So ist etwa der globale Klimawandel zur breit akzeptierten Gewissheit geworden. „Seit 1992 hat sich sehr viel hin zu einer besseren, nachhaltigen Welt geändert: Autos sind sparsamer geworden, die Luft ist sauberer, und alternative Energien sind weiter als damals erhofft.“ So sieht es die Initiative „Rio wird 18“, die den 20. Jahrestag der legendären UN-Konferenz von Rio 1992 vorbereitet und für die Osnowski als Beirat fungiert. Initiiert hat sie Wolfgang Scheunemann, früherer Umwelt-Kommunikator von Daimler und heute Geschäftsführer der Stuttgarter Unternehmensberatung Dokeo. Auf seinen Nachhaltigkeitsforen gehen Vorständler und PR-Leute zusammen mit NGO-Vertretern und Wissenschaftlern der Frage nach, „wie ein Unternehmen durch Kommunikation an Reputation gewinnen kann, ohne das dies von den Medien als plumpe PR abqualifiziert wird“. Scheunemanns Credo: „Kein Unternehmen kann es sich leisten, gegen die gesellschaftlich verinnerlichten Umwelt-Standards zu handeln.“ Widerspruch gegen die glatte Öko-PR war selten. Allenfalls der damalige Grünen-Chef Reinhard Bütikofer mahnte 2006 die bei Scheunemann versammelten Nachhaltigkeits-Strategen, sie möchten ihren Selbstverpflichtungen doch bitteschön auch Taten folgen lassen.
Bayer war in Sachen Umweltschutz schon anno 1992 in Rio dabei. Auf der damaligen Umweltkonferenz setzte sich die neoliberale Sichtweise durch: ohne freie globale Märkte kein Wirtschaftswachstum, kein Umweltschutz und keine nachhaltige Entwicklung. Nur ohne bindende Rahmenbedingungen könne die Industrie das garantieren. Seitdem steht die freiwillige Selbstverpflichtung hoch im Kurs. Bayer fährt auf seiner Website sogar unter UN-Flagge. Kein Wunder, denn die kontrolliert die Versprechen der Industrie nicht. Und so retten große Unternehmen die Welt auf ihre Art und kommunizieren darüber. Ikea sponsert den Regenwald in Kambodscha mit sagenhaften 800.000 Euro. Krombacher Pils verspricht, für jeden verkauften Kasten Bier einen Quadratmeter Regenwald zu retten. Toyota pflanzt praktisch überall Bäume. Und Lanxess lässt Schätzing lesen.
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