Ein hyperaktiver Kurator (Nikos Konstantakis) stürzt sich mit viel Marketinggeschwurbel in die Präsentation seiner neuen Ausstellung über die Panamnesier – eine untergegangene Ethnie, die ständig vergaß, wer sie eigentlich ist. Beschwörend umkreist er die auf Sockeln platzierten Ausstellungsobjekte (Ausstattung: Eleonora Pedretti) und stellt sie einer vermeintlichen Journalistin (Aurélie Thépaut) vor, die allerdings vermutlich – ein Punkt auf der Stirn verrät sie – selbst eine Panamnesierin ist. Wie auch der Mann (Robin Berenz), der zwischen allerlei ausgegrabenem panamnesischem Hausrat bewusstlos oder schlafend liegt.
Autor Klaus Fehling verarbeitet in seinem Stück „Der blinde Fleck“ zahlreiche Themen. Im Zentrum steht die Frage der kulturellen Identität als Mischung zwischen Selbstentwurf, Spiegelung, Beglaubigung; zur Sprache kommen aber auch Krieg, Deportation und Zerstörung sowie Migration und Heimatverlust. Die ukrainische Regisseurin Switlana Pasitschnyk macht schon mit all den angeblichen panamnesischen Ausstellungsobjekten klar, dass alle Kultur letztlich ziemlich gewöhnlich daherkommt und auf je unterschiedliche Weise vergleichbar bleibt. Zudem schickt sie die Figuren immer wieder vor eine überdimensionale Spiegelfolie, in der Video-Projektionen zu sehen sind: Selbst- und Fremd-Entwürfe der Betrachter:innen also, gerne auch verzerrt. Am Ende mündet alles in einen Kreislauf von Werden und Vergehen der Kulturen, wenn der Kurator plötzlich am Boden zwischen den Artefakten liegt und die beiden Panamnesier munter durch die Ausstellung ihrer eigenen Kultur schlendern.
Der blinde Fleck | 12.-14.10. (WA) | Orangerie Theater | 0221 952 27 09
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Hebräische Sprachwelten
Gundula Schiffer liest in Köln
„Die Hoffnung muss hart erkämpft werden“
Regisseur Sefa Küskü über „In Liebe“ am Orangerie Theater – Premiere 11/24
Keine Macht den Drogen
„35 Tonnen“ am Orangerie Theater – Prolog 10/24
„Das Ganze ist ein großes Experiment“
Regisseurin Friederike Blum über „24 Hebel für die Welt“ in Bonn und Köln – Premiere 10/24
Getanzter Privilegiencheck
Flies&Tales zeigen „Criminal Pleasure“ am Orangerie Theater – Prolog 09/24
Wege aus der Endzeitschleife
„Loop“ von Spiegelberg in der Orangerie – Theater am Rhein 04/24
Das Theater der Zukunft
„Loop“ am Orangerie Theater – Prolog 04/24
Musik als Familienkitt
„Haus/Doma/Familie“ am OT – Theater am Rhein 03/24
Falle der Manipulation
„Das politische Theater“ am OT – Theater am Rhein 02/24
„Wir wollten die Besucher:innen an einem Tisch versammeln“
Subbotnik zeigt „Haus / Doma / Familie“ am Orangerie Theater – Premiere 02/24
Radikaler Protest
„Ein Mensch ist keine Fackel“ in der Orangerie – Theater am Rhein 01/24
Was ist hinter der Tür?
„Die Wellen der Nacht …“ in der Orangerie – Theater am Rhein 12/23
Wege in den Untergang
„Arrest“ im NS-Dokumentationszentrum Köln – Theater am Rhein 10/24
Bis der Himmel fällt
Franz Kafkas „Der Bau“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 09/24
Feder statt Abrissbirne
„Fem:me“ in der Alten Feuerwache – Theater am Rhein 07/24
Der Untergang
„Liquid“ von Wehr51 – Theater am Rhein 07/24
Gefährlicher Nonsens
Kabarettist Uli Masuth mit „Lügen und andere Wahrheiten“ in Köln – Theater am Rhein 07/24
Den Schmerz besiegen
„Treibgut des Erinnerns“ in Bonn – Theater am Rhein 07/24
Alles über Füchse
„Foxx“ in den Ehrenfeldstudios – Theater am Rhein 07/24
Vergessene Frauen
„Heureka!“ am Casamax Theater – Theater am Rhein 06/24
Freiheitskampf
„Edelweißpiraten“ in der TF – Theater am Rhein 06/24
Menschliche Eitelkeit
„Ein Sommernachtstraum“ in Köln – Theater am Rhein 06/24
Die Grenzen der Freiheit
„Wuthering Heights“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 06/24
Erschreckend heiter
„Hexe – Heldin – Herrenwitz“ am TiB – Theater am Rhein 05/24
Verspätete Liebe
„Die Legende von Paul und Paula“ in Bonn – Theater am Rhein 05/24