In der deutschen Film- und Fernsehbranche wird diskutiert. Nicht nur über #MeToo. Sondern auch über „Kontrakt 18“. Auch hier geht es um Macht. Die Macht über das Drehbuch, über den Schnitt, über die Regie. Im Fall von „Kontrakt 18“ kommt die Diskussionsansage von den deutsche Drehbuchautoren und -autorinnen. Sie fordern mehr Mitsprache im Prozess der Filmentstehung und eine angemessene Anerkennung ihrer Arbeit. Vorbild sind die USA mit ihrer großen Autorenautonomie, ohne die es Serien wie „Die Sopranos“ oder „The Wire“ vermutlich nie gegeben hätte, und damit keinen Serienboom. Serienerfinder wie David Chase und David Simon werden in den USA als die Retter des filmischen Erzählens gefeiert (wobei oftmals vergessen wird, dass jeder Showrunner nur so gut ist, wie der Writer's Room, der hinter ihm steht). Während Drehbuchautoren und -autorinnen hierzulande meist das schwächste Glied in der Kette sind, insbesondere in der Fernsehbranche.
Die Initiatoren und Initiatorinnen von „Kontrakt 18“ möchten das ändern. „Wir schreiben Filme“, heißt es in der Erklärung. „Ohne unsere Geschichten gibt es weder Serien noch Kinofilme noch TV-Movies. Unsere Bücher sind die Basis und das Herz eines jeden Films. Diese zentrale Position der Autorin und des Autors findet hierzulande jedoch weder in den Verträgen noch im Prozess der Filmherstellung einen angemessenen Widerhall. Das wollen wir ändern.“ Wie wenig angemessen der genannte Widerhall in Deutschland ist, konnte man beim Deutschen Fernsehpreis beobachten, der fast ohne Drehbuchautoren und -autorinnen stattgefunden hätte. Aus „Sitzplatzgründen“ hatte man sie einfach nicht eingeladen. Erst nach einem entsprechenden Shitstorm wurde diese Einladungspraxis geändert. Dieses Erfolgserlebnis war Ansporn für „Kontrakt 18“.
Mitinitiatorin ist die Drehbuchautorin Annette Hess, die mit „Weissensee“ die deutsche Serienlandschaft früh geprägt hat. Fast 200 Autoren und Autorinnen haben mittlerweile unterzeichnet. Sie verpflichten sich damit, in Zukunftnur noch Verträge zu unterzeichnen, in denen ihnen bestimmte Rechte zugestanden werden: die Verantwortung über das Drehbuch, eine Mitbestimmung bei der Regiebesetzung, eine Teilnahme an der Rohschnittabnahme und eine namentliche Nennung zum Beispiel auf Plakaten. Seit Juni ist der „Kontrakt 18“ in der Welt, seit Juli gilt er verpflichtend und seitdem laufen die Diskussionen. Viele davon allerdings in eine völlig falsche Richtung. „4 Blocks“-Schöpfer Marvin Kren beschwört die Diktatur der Regie. Dominik Graf beklagt eine bundesweite Hetze auf „Regiekünstler“. Und Produzent Oliver Berben gießt Öl ins Feuer mit Äußerungen wie: Ein richtig gutes Drehbuch benötige nur einen mittelmäßigen Regisseur, während es umgekehrt – mittelmäßiges Drehbuch, sehr guter Regisseur – schwierig werde. Tatsächlich ist die Initiative aber keine Kampfansage an die Regie. Sondern der längst überfällige Versuch, Machtgefälle in der Film- und Serienproduktion aufzuzeigen, mit dem Ziel diese zu beseitigen. Davon kann die deutsche Filmlandschaft nur profitieren.
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