So etwas gibt es bei einer deutschen Produktion wahrlich nicht oft: In Köln finden derzeit in den MMC-Studios in Hürth die letzten Drehtage von Hermine Huntgeburths „Huck Finn“ statt, noch bevor dessen Vorgängerfilm „Tom Sawyer“ in die Kinos gekommen ist. Beide Filme beruhen auf den berühmten Romanen von Mark Twain, die schon mehrfach verfilmt wurden. Eine der bekanntesten Adaptionen dürfte hierzulande der Vierteiler von Wolfgang Liebeneiner sein, der 1968 als internationale Co-Produktion entstand und in der Lina Carstens als Tante Polly glänzte. Auch die 1979 entstandene 26teilige Fernsehserie „Die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn“ erfreute sich großer Beliebtheit und wurde unter deutscher Beteiligung in Kanada realisiert, weswegen mit Brigitte Horney auch hier eine deutsche Schauspielerin in die Rolle der Tante Polly schlüpfte.
Dass die beiden Familienfilme „Tom Sawyer“ und „Huck Finn“ nun back-to-back realisiert werden und man nicht erst den Kinoerfolg von Teil 1 abwartet, erklären die Produzenten mit zwei einfachen Tatsachen: Die Hauptrollen werden vom knapp fünfzehnjährigen Leon Seidel (Huckleberry Finn) und vom vierzehnjährigen Louis Hofmann (Tom Sawyer) gespielt, die in nur wenigen Monaten so stark wachsen könnten, dass sie in einer Fortsetzung des ersten Films kaum mehr wirklich überzeugen würden. Produzent Boris Schönfelder konstatierte: „Die Kinderdarsteller haben hier den Takt vorgegeben, weil die Gefahr einfach zu groß war, dass sie zu schnell wachsen.“ Außerdem war das gesamte Team nach ersten Screenings von „Tom Sawyer“ dermaßen von der Qualität des Films überzeugt, dass man sofort grünes Licht für den zweiten Teil gab. Neben den jugendlichen Hauptdarstellern klotzt man bei „Huck Finn“ mehr noch als beim Vorgänger mit großen Namen für sämtliche Nebenrollen. Heike Makatsch (als Tante Polly) und Peter Lohmeyer (als Richter Thatcher) nehmen ihre Rollen aus dem ersten Film wieder auf. Neu hinzugekommen ist der in Burkina Faso geborene Jacky Ido, den man aus „Die weiße Massai“ (ebenfalls von Hermine Huntgeburth) oder Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ kennen könnte. Der spielt hier den Sklaven Jim, der sich den Übergriffen durch drei skrupellose Sklavenjäger (Henry Hübchen, Andreas Schmidt und Milan Peschel) erwehren muss.
Die Außenaufnahmen des Films entstanden größtenteils in Rumänien, genauer gesagt in Bukarest und am Donau-Delta, wo man die Südstaatenstädte St. Petersburg und Cairo Gestalt annehmen ließ. Nach weiteren On-Location-Shootings in Sachsen-Anhalt und Brandenburg kam man schließlich gegen Ende der 50 Drehtage in die MMC-Studios in Hürth, wo man die Innendrehs realisierte. Dazu hat man in den Filmstudios vor den Toren Kölns die Waldhütte des Alten Finn (gespielt von August Diehl), Hucks Zimmer im Haus der Witwe Douglas und die Holzhütte von Judith Loftus aufgebaut. Das Prunkstück des Kölner Sets ist jedoch zweifellos das Oberdeck eines Mississippidampfer-Wracks, vor dem sich einige der Hauptdarsteller mit Regisseurin Huntgeburth und den Produzenten zum Fotocall einfanden. Das 6,5 Millionen Euro teure Projekt, das u.a. auch von der Film und Medienstiftung NRW gefördert wurde, soll im Winter 2012/13 in die Kinos kommen. Doch zuvor kann man sich erst mal ab 17. November 2011 von „Tom Sawyer“ bundesweit in den Kinos verzaubern lassen und Blut lecken für die weiteren Abenteuer der beiden Helden aus der Feder von Mark Twain.
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