Theaterbühnen sind Laufstege, die aufgrund ihres Kunstanspruchs über jeden Verdacht erhaben erscheinen. Ausgestellt werden zunächst einmal die schauspielerischen Fertigkeiten der Akteure, aber natürlich auch – im Tanz am offensichtlichsten – die Körper selbst. Sie werden darüber auch zu Objekten der voyeuristischen Aneignung. Die Gruppe Tripletrips, die in der Grenzregion zwischen Tanz und Performance angesiedelt ist, macht das sinnfällig, indem sie einen Laufsteg in T-Form auf dem Boden der Studiobühne abgeklebt hat. Während Theresa Hupp haarscharf daneben sich in Posen räkelt, die zwischen kunstgeschichtlicher Ikonographie, Ballett und Pin-up changieren, präsentieren Markus Tomczyk und Nikos Konstantakis auf dem Laufsteg zu leisem elektronischem Geblubber ihre Körper. In Shorty und Tanktop. 30 wortlose Minuten lang. Sie zeigen: Eine schiefe Schulter, einen verzogenen Mund, ein leichtes Hinken, eine entblößte Flanke, einen aggressiven, einen schüchternen Blick – Miss- und Fehlbildungen wechseln mit Ausdrucks- und Charakterdemonstrationen des Körpers. Schließlich gesellt sich auch Theresa Hupp zu den beiden Beaus auf den Laufsteg, und gemeinsam hantieren sie mit magentafarbenen Jacken. Es ist eine Fleischbeschau, in der die Grenzen zwischen Voyeurismus und Narzissmus, Normalität und Abweichung, Neugier und Redundanz verwischen. Das Theater potentialiert dabei den gesellschaftlichen Zwang zur körperlichen Zurichtung. Und in seiner brutalen Wiederholung wird daraus letztlich eine Schule des Sehens, das auf kleinste Zeichen sich ausrichtet und sie zu alleingültigen Merkmalen der Differenz hochjazzt. In seinem Wagemut und seinem Spiel mit der Monotonie als erkenntnisstiftendem Mittel ist das Konzepttheater in Hochform. Danach flacht „Meat Market“ allerdings ab. Markus Tomczyk preist Kinder in den Kategorien von Premium-Produkten an, das Trio hantiert mit Klebestreifen, eine Schwundstufe des Proustschen Fragebogens wird verlesen – danach führt dann Theresa Hupp auf High Heels zwischen den rechts und links posierten Jungs vor, was ein richtiger Catwalk ist.
„Meat Market“ | R: Tripletrips |
Fr 31.10. | Theater im Ballsaal Bonn | 0228 79 79 01
So 16.11. | Studiobühne Köln | 0221 470 45 13
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